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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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einander, überschnitten sich, drehten sich, ein verrückter Tanz riesiggroßer, dumpfer, gewalttätiger Köpfe. Das dauerte nur kurze Augenblicke, aber sie waren nicht kurz. Dann, man atmete auf, verdämmerten die Köpfe, und übrig blieb nur die Stimme des Menschen.
    Jetzt aber redete diese Stimme vom Jahrmarkt der Gerechtigkeit. Es war der Schatten einer achtundzwanzigjährigen Frau, der sprach, einer Frau ohne besondere Begabung. Aber dieser Schatten streckte die Arme so drohend in den Raum, und die großen Augen des Schattens schauten so zornig, daß manches lebendige Auge wegsah. »Martin Krüger«, sagte der zornige Schatten, »ist auf diesem Jahrmarkt an eine der übelsten Buden geraten. Sagen Sie nicht, er ist tot und seine Sache ist abgelebt. Der Jahrmarkt geht weiter, und Sie alle sind gezwungen, dort einzukaufen.«
    Tüverlin, wohl infolge der Spannung, spürte die Erschöpfung so, als werde er niemals von seinem blauen Stuhl aufstehen können. Er schwitzte, wahrhaftig er schwitzte, als da vorn die Frau hinsprach an die Berge von Köpfen. Und als sie verschwanden und allein die tapfere Stimme übrigblieb, da streckte er sich und schnaubte so stark, daß die andern in der Loge unwillig Pst machten. Er kehrte sich nicht daran. Das war nun da, das war in der Welt, das einleuchtende Bild eines großen Gefühls. Ihn hob ein großes Ja, das Glück, einverstanden zu sein mit dem Schicksal.
    Er brauchte keine Bestätigung durch das Publikum. Es war gleichgültig, ob die Menschen heute begriffen oder erst in zehn Jahren. Immerhin war es angenehmer, daß sie heute begriffen. Es war sehr still, nachdem der Film »Martin Krüger« zu Ende war, man hatte angestrengte, betroffene, fast dumme Gesichter, man sprach zueinander mit sonderbar gedämpften Stimmen. Das Ganze hatte keine halbe Stunde gedauert: viele gingen, ohne den zweiten Film abzuwarten.
    Jacques Tüverlin depeschierte Johanna, nach der Wirkung des Films »Martin Krüger« tue sie gut, München schleunigst zu verlassen.
    Er fuhr ihr auf halbem Weg entgegen. Die Neugier der Welt war groß, die Zeitungen waren voll von Bildern und Berichten über Johannas Film. Tüverlin suchte einen Ort, wo sie die nächsten Monate in Ruhe leben könnten. Das war nicht leicht. Sie dachten an entlegene Orte an der Ostsee, inSüdtirol. Schließlich fiel ihnen ein Dorf im Bayrischen Wald ein. Im Bayrischen Wald, einem Mittelgebirg an der bayrisch-tschechischen Grenze, dem Ursitz der Altbayern, las man keine Zeitungen und sah keine Filme.
    Hier, zwischen sanften, verschneiten Waldbergen, zusammen mit Johanna Krain, vollendete Jacques Tüverlin »Das Buch Bayern oder Jahrmarkt der Gerechtigkeit«. Was er gespürt hatte von der Stunde des Unmuts vor dem Kasperltheater bis zu der glücklichen Entspannung vor dem Film, verdichtete sich. Das Land Bayern, wie er es gesichtet hatte auf der Fahrt zu Klenk, wurde Gestalt. Johanna nahm ihm Nebenarbeit ab, soviel sie konnte. Sie war überzeugt, das Buch mußte bewirken, daß es besser werde in ihrem Lande.
    Tüverlin, als er das Werk in Druck gab, schickte eine Abschrift an Klenk.
    Am Tag, als sich der Tod Martin Krügers zum zweitenmal jährte, traf in dem Dorf im Bayrischen Wald ein Brief ein aus Berchtoldszell. Der ehemalige Minister Otto Klenk teilte dem Schriftsteller Tüverlin in trockenen Wendungen mit, er habe das Manuskript gelesen, er habe auch den Film »Martin Krüger« gesehen. Beigelegt waren zwei Knöpfe seiner Joppe.

Information
    Kein einziger von den Menschen dieses Buches existierte aktenmäßig in der Stadt München in den Jahren 1921/24: wohl aber ihre Gesamtheit. Um die bildnishafte Wahrheit des Typus zu erreichen, mußte der Autor die photographische Realität des Einzelgesichts tilgen. Das Buch »Erfolg« gibt nicht wirkliche , sondern historische Menschen.
    Ausführliche Berichte über die deutschen Einsperrungsanstalten jener Zeit sind uns erhalten in den Aufzeichnungen der Schriftsteller Felix Fechenbach, Max Hoelz, Erich Mühsam, Ernst Toller, die in solchen Anstalten untergebracht waren.
    Material über die Sitten und Gebräuche der altbayrischen Menschen jener Epoche findet sich in einer Zeitung, die damals in einem altbayrischen Orte namens Miesbach erschien, dem »Miesbacher Anzeiger«. Diese Zeitung ist in zwei Exemplaren erhalten; das eine befindet sich im Britischen Museum, das andere im Institut zur Erforschung primitiver Kulturformen in Brüssel.

Zu diesem Band
    Eine Komödie von Lion Feuchtwanger,

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