Erfolg
genehmigt werde.
Die Prestigefrage machte dem Dr. Klenk in dieser Sache wenig Sorge. Natürlich würde die Oppositionspresse im Fall der Begnadigung kluge Reden schwingen, sehr sicher habe man sich also doch nicht gefühlt, und das mit der Eisenbahnkatastrophe sei nach wie vor ungeklärt. Aber das war Schmarren, leeres Geschrei. Die Geschichte war tot, abgelebt, mit dem rechtsgültig gewordenen Spruch ein für allemal erledigt. Der Mann Woditschka als solcher war gleichgültig. Einzige tatsächliche Folge einer Begnadigung dürfte sein, hatte derzuständige, altbewährte Referent, es befürwortend, zu dem Gnadengesuch bemerkt, daß in Zukunft an Stelle Bayerns die Tschechoslowakei für den dorthin abzuschiebenden Vagabunden Woditschka zu sorgen hätte.
Der Minister Klenk, dies lesend, schweifte plötzlich ab. Sah mit einemmal hinter den dicken Gläsern die scharfen, blauen Augen des Anwalts Dr. Geyer, der doch mit der Sache Woditschka nichts zu tun hatte, seine schmalen, nervösen Hände. Fein gedeichselt war das von dem Hund, dem Geyer, wie er die Aussage dieser Johanna Krain an den Schluß des Prozesses gestellt hatte. Der Kunstgriff gefiel ihm, gerade weil er deshalb noch lange nicht in Sorge war um den Ausgang.
Der Minister zwang sich zu dem Aktenstück zurück. »Einzige tatsächliche Folge einer Begnadigung dürfte sein.« Der Geyer war ein recht zuwiderer Bursche. »Wenn man in Betracht zieht, daß immerhin nur ein Indizienbeweis.« Der Flaucher an seiner Stelle hätte das Gesuch abgelehnt. Mit dem Löwenmaul kann man auskommen. Der Geyer, wenn er von der Begnadigung liest, wird das dünne Maul verziehen.
Mit seinen großen Buchstaben, quer über die letzte Schreibmaschinenseite des Gesuches, langsam, mit rotem Bleistift malt Klenk: »Abgelehnt K.«
Jetzt wird der Geyer sein Maul nicht verziehen.
Das Telefon läutete. Nebensächliches. Der Minister, während er kurze, nichtssagende Antworten in den Apparat sprach, holte sich das Gesicht des Prokop Woditschka in die Erinnerung zurück. Es ist ein blasses, dickes Gefrieß mit kleinen, schlauen Augen. Eigentlich nicht unsympathisch. Der wird also weiter im Zuchthaus sitzen, Strohmatten flechten, die kleinen, schlauen Augen in alle Winkel schicken, aber er wird seine Zeit ruhig abwarten, so dumm ist der nicht, daß er einen Fluchtversuch macht.
Die Stimme im Telefon ist fertig, der Minister wirft das Hörrohr in die Gabel zurück. Er ist im Grunde wirklich nicht unsympathisch, der Zuchthäusler Woditschka. Neben demdünnhäutigen, zwinkernden, tief widerwärtigen Geyer ist er direkt sympathisch. Mit dickem, rotem Stift durchstreicht der Minister Klenk den Vermerk: »Abgelehnt«, macht ihn unkenntlich. Fest und eindeutig schreibt er, mit noch größeren Buchstaben, daneben: »Genehmigt K.«
Das nächste Gesuch betraf den Heizer Anton Hornauer. Dieser Heizer war in der Kapuzinerbrauerei angestellt gewesen, einer jener alten, großen Brauereien, die München Weltruf verschafft hatten. Wochentags hatte er acht Stunden Dienst, sonntags zwölf. Er heizte seinen Kessel, beobachtete auf seinem Glas den Wasserstand, beobachtete den Dampfdruck, schob Kohlen nach. Stand so. Acht Stunden des Wochentags, zwölf am Sonntag. Zweimal im Tag drehte er an einem Hebel. Darin fuhr der hundertdreißig Grad heiße Dampf in ein Rohr, dann in ein Gully und riß alles mit, was den Kessel verunreinigte. Dies war die übliche Art, einen Kessel auszuschlammen.
Eines Sonntags, als der Heizer wie gewohnt seinen Hebel gedreht hatte, hörte er ein gräßliches Geschrei. Man stürzte herein: »Abdrehen! Abdrehen!« Der Heizer Hornauer drosselte den Dampf ab, rannte auf den Hof. Aus dem Gully zog man einen Arbeiter. Der Mann hatte das Loch reinigen sollen; als er einige Meter hinabgestiegen war, kam der Schwall der glühenden Dämpfe über ihn. Er starb vor den Augen des Heizers, hinterließ eine Frau, vier Kinder.
Vor Gericht stritten sich die Sachverständigen um die Verantwortung des Heizers. War die Anlage vorschriftsmäßig gewesen? War der Heizer Anton Hornauer juristisch verpflichtet, sich darum zu kümmern, ob in dem Gully gearbeitet wurde? Wußte er, wohin die Dämpfe strömten, die er losließ? War er verpflichtet, es zu wissen? Die Kapuzinerbrauerei, in der das Unglück geschehen war, hatte Weltruf, ihr Bierexport umfaßte den Erdkreis. Die tadellose Führung ihres Betriebs, die Vermeidung jeder sträflichen Fahrlässigkeit war Sache nicht nur der Direktion, sondern der ganzen
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