Erfolg
im Bayrischen, sich nährend von Kartoffeln, Feldfrüchten, manchmal in den Wirtshäusern an der Straße durch Musik und Tanzen einige Pfennige verdienend; denn der plumpe Bursche mit dem blassen, schweißigen Gesicht, das auch in Sonne und Wind keine Farbe annahm, war ein wilder Musiker und Tänzer, dem die Kellnerinnen und Chauffeure in den Wirtshäusern gern zuhörten. Da hatte er nun einige saftige, bolschewistische Äußerungen getan, er werde es den Großkopfigen zeigen, er werde etwas anstellen, von dem man sprechen werde, und sie würden es schon in der Zeitung lesen. Sicher war, daß er noch eine Stunde vor dem Unglück in der Nähe des Tatorts gesehen wurde; auch war er im Besitz verdächtiger Brechwerkzeuge, geeignet, die Schienen und Schwellen in der Weise zu lockern, die dann die Entgleisungherbeigeführt hatte. Verdächtig war auch, daß er sich nach dem Unglück in größter Eile von dem Tatort entfernt hatte.
Jedenfalls hatte das bayrische Gericht, vor dem er sich verantworten mußte, sich durch diese Indizien von seiner Schuld überzeugen lassen und ihn zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Die bayrische Verwaltung stand gerechtfertigt vor den scheelsüchtigen norddeutschen Nörglern, ihre Kassen waren einer unangenehmen Verpflichtung ledig.
Nun hatte aber der böhmische Landstreicher einen begeisterten Anwalt gefunden, im Umkreis des Dr. Geyer natürlich, und zwar war es ein gewisser Rechtsanwalt Löwenmaul, der sich für den Verbrecher Woditschka mit der bayrischen Justiz herumraufte. Es waren, wie er vor Gericht und später in den Spalten der Oppositionspresse ausführte, vor allem psychologische Gründe, die ihn an der Schuld des Mannes zweifeln ließen. Zunächst nämlich hatte der dicke Bursche geglaubt, es handle sich um gewisse andere Straftaten, um derentwillen man ihn verhafte. Wie man ihn dann des Eisenbahnattentats beschuldigte, war er einfach verblüfft gewesen und hatte herzhaft, stürmisch als über einen ausgezeichneten Witz gelacht. Wie ein Fanatiker, der sich um einer Idee willen gefährdet, sah er wirklich nicht aus, und welcher Vorteil hätte für ihn aus einem solchen Verbrechen herausspringen können? Er hatte dann auch, als man darauf beharrte, ihn mit der Entgleisung in Verbindung zu bringen, mit solcherlei Vernunftgründen operiert; es war ihm unbegreiflich, wie man auf ihn verfallen konnte. Es war wirklich reiner Zufall, daß er sich um die Unglücksstunde in der Nähe des Tatorts herumtrieb. Drohungen allgemeiner Art hatte er allerdings ausgestoßen, aber wer in seiner Lage hätte das nicht getan? Sein fleischiges, intelligentes Gesicht sah bösartig aus, doch auch träge und nicht wie eines Mannes, der wegen eines Prinzips ein Verbrechen begeht. Er suchte das unverdrossen klarzumachen, glaubend, seine einleuchtenden Argumente müßten ihn bald entlasten. Als er indes aus einer Zeitung durch Zufall erfuhr, welche Interessen die Verwaltung daran hatte, daßVerbrecherhände und nicht Fahrlässigkeit jenes Unglück bewirkt hätten, gab er mit einem Fatalismus, der den Anwalt Löwenmaul erschütterte, jeden Versuch, sich zu verteidigen, auf. Wenn ein ganzes Land von sechs Millionen Menschen, erklärte der faule Mann dem Anwalt, Interesse daran habe, ihn zum Verbrecher zu stempeln, so dumm sei er nicht, dann als einzelner den Kampf gegen diese sechs Millionen aufzunehmen. Er begnügte sich von da an, die bayrische Justiz mit einer gewissen träg bösartigen Jovialität zu verulken. Aber der Rechtsanwalt war gerade durch diese Haltung des Angeklagten bestärkt in seiner Meinung, daß der Strolch Woditschka an dem Eisenbahnunglück unschuldig sei.
Nachdem er vor Gericht mit dieser Meinung nicht durchgedrungen war, kämpfte er mit kluger Zähigkeit, übrigens ohne Provokation, in der Presse weiter für seinen Mandanten, und ein umständliches, sorgfältig motiviertes Gnadengesuch des Rechtsanwalts Löwenmaul für den Strafgefangenen Prokop Woditschka lag also jetzt dem Dr. Klenk vor. Klenk war ein Mann, mit dem sich reden ließ, von heftigem Temperament, aber borniert nur, wo es um persönliche oder um die Interessen seines Landes Bayern ging. Die waren durch die rechtsgültige Verurteilung des Prokop Woditschka hinlänglich gewahrt, insonderheit da der Woditschka sich verbeten hatte, daß Löwenmaul Revision einlege. Ja, dem Minister mußte eigentlich seiner ganzen Art nach der freche, träge, intelligente Bursche gefallen, und der Anwalt rechnete sehr, daß sein Gnadengesuch
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