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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sich für ihn erschöpfte, ausleerte, mit komödiantischen Mitteln auf blöde Geschworene Eindruck zu machen suchte? Er zwinkerte stark, steckte sich mechanisch eine Zigarette an, rauchte in schnellen Zügen, auf dem Rücken liegend.
    Was überhaupt sucht er in dieser ungewöhnlich erkenntnislosen Stadt? Dieses Volk wünscht doch seine schmutzige Unlogik, fühlt sich wohl in seiner qualligen Verworrenheit. Gott hat ihnen ein stumpfes Herz gegeben, ein großes Plus übrigens auf diesem Planeten. Er hat den Komiker Balthasar Hierl gesehen, einen trüben Hanswursten, der mit melancholischer Scheinlogik verstockt an trotteligen Problemen herumbohrt. Gefragt etwa, warum er eine Brille ohne Gläser trage, erwidert er, besser als nichts sei es doch. Man erklärt ihm, die Besserung der Sehschärfe liegt an den Gläsern, nicht am Gestell. Warum man dann ein Gestell trage? fragt er zurück. Um die Gläser zu halten, wird ihm geantwortet. Also, meint er befriedigt, das sage er ja, besser als nichts sei es doch. Er ist ein sehr geschätzter Komiker, berühmt weit über die Stadt hinaus: ihn, Geyer, widert er an. Aber so wie dieser Mann mit der leeren Brille ist das ganze Volk. Ihm genügt das leere Gestell der Justiz, auch wenn es schmerzhaft einschneidet, den Sinn will es nicht. Und für dieses Volk rackert er sich ab. Wozu? Warum die schmutzige Maschine des Rechts saubermachen wollen, wenn sich die Betroffenen doch wohl fühlen in ihrem Mist? Er hat ein weit über Verstand und Logikhinausgehendes, anormales, fanatisches Bedürfnis nach Sauberkeit im Recht, nach Klarheit. Die Unzulänglichkeit des ganzen Apparates gut erkennend, wünscht er, daß er zumindest mit mathematischer Sicherheit funktioniere. Wozu? Niemand dankt es ihm. Er ist wie eine Hausfrau, die partout reinemachen will in einem Haus, in dem man sich nur in Dunst und dumpfig Ungelüftetem behaglich fühlt. Wie die Agnes, seine Haushälterin, ist er. Diese Menschen fühlen sich viel wohler bei der volkstümlichen Justiz ihres Klenk.
    Da liegt er auf der Ottomane, todmüde, erschöpft von den Anstrengungen, seine Nerven, die ständig durchgehen wollen, in Zaum zu halten. Wäre es nicht klüger, er vollendete in Ruhe seine »Geschichte des Unrechts im Lande Bayern«? An »Politik, Recht, Geschichte« wagt er schon nicht mehr zu denken.
    Er liegt auf dem Rücken, die Zigarette ist ausgegangen. Die Augen hält er geschlossen, aber er ist zu müde, die Brille abzunehmen; die Lider unter den dicken Gläsern liegen rot, stark geädert. Er atmet beschwerlich, die dünne Haut der Wangen sieht trotz der starken Rötung verfallen aus unter spärlichem Flaum; denn er ist schlecht rasiert.
    So liegt er eine Weile, bemüht, nichts zu denken. Aber sein gut arbeitendes Gedächtnis schwemmt immer neue Dinge herauf: Verse über den gerechten Richter aus einem alten indischen Spiel, Deduktionen des populären Komikers, Auslassungen des Mannes Krüger in einem Essay über die Beziehungen zwischen flämischer und spanischer Kunst, die Gesichter seiner Geschworenen. Das Gesicht auch des Geschworenen von Dellmaier. Ja, das windige, blasse, spitz zulaufende Gesicht des Versicherungsagenten von Dellmaier steht wieder einmal gegen seinen Willen vornean im Hirn des müden Mannes. Es ist ein Rattengesicht, spitz wie es ist, mit den kleinen, dummen Zähnen. Auch das hohe, platte Lachen des Menschen hat etwas von dem Pfeifen einer Ratte. Eine nagende, ansteckende Ratte ist der ganze Kerl. Und dahinter, ihm über die Schulter, schaut noch blasser ein anderes Gesicht. DerAnwalt atmet, daß es klingt wie ein knurrig unterdrückter Schmerzlaut. Mit einem Ruck reißt er sich hoch. Auf diese Art wird er sich nicht entspannen. Er streckt sich, gähnt, schaut mit leeren Augen in sein unordentliches Arbeitszimmer. Es ist noch nicht spät, er könnte sich vielleicht den einen oder anderen Passus seines Plädoyers noch schärfer zurechtlegen. Aber es ist klüger, morgen frisch zu sein und jetzt, so ungewohnt früh die Stunde ist, schlafen zu gehen. Er stülpt, halb mechanisch, den Rundfunkhörer über den Kopf, ein paar Takte Musik will er noch mitnehmen. Aber sein Gesicht spannt sich, seine Augen werden scharf, böse, rechnerisch. Er hört die tiefe, joviale, höhnische Stimme des Ministers Klenk. »Das Absolute zu erreichen, ist dem Menschen nicht gegeben. Unser Ideal muß es sein, die Normen, die erst lebendig werden in Berührung mit dem Menschen, abzuwandeln im Sinne des Volkstümlichen.«
    Der

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