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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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regnorum
    Dr. Klenk und Dr. Flaucher fuhren zusammen von der Eröffnung der Ausstellung für Flugwesen zurück. Flaucher fragte den Kollegen von der Justiz, ob er Bericht habe über das Verhalten des Krüger in der Strafanstalt. Ja, Klenk hatte Bericht. Der Strafgefangene Krüger sei renitent, der Strafgefangene Krüger lege ein provokatorisches Verhalten an den Tag. Das sehe ihm ähnlich, knurrte Flaucher; anders habe er es von dem Schlawiner nicht erwartet. Worin sich dies provokatorische Verhalten dokumentiere? »Der Mann Krüger lächelt«, erklärte Klenk. Flaucher wunderte sich. »Ja, die Herren schreiben mir, der Mann Krüger lächle provokatorisch. Sie hätten ihn mehrmals streng verwarnt, aber es ist ihm nicht abzugewöhnen. Sie möchten ihn am liebsten dafür bestrafen.« – »Das sieht ihm ähnlich«, bemerkte wieder der Kultusminister Flaucher und rieb sich zwischen Hals und Kragen. »Ich persönlich«, meinte Klenk, »halte nicht viel von der Psychologie meiner Herren. Ich glaube nicht, daß das beanstandete Lächeln provokatorisch gedacht ist.« – »Natürlich ist es provokatorisch«, beharrte heftig Flaucher. »Diese Erklärung ist zu simpel«, sagte Klenk und sah Flaucher an. »Ich habe Anweisung gegeben, man solle davon absehen, den Mann Krüger wegen seines Lächelns zu disziplinieren.« – »Sie haben sich anstecken lassen von diesem scheußlichen Humanitätsdusel«, jammerte Flaucher und betrachtete mißbilligend den langen, knochigen Mann. »Ich glaube, wir werden ihn eines Tages begnadigen«, meinte Klenk, schielend aus spaßhaften Augenwinkeln auf den vor Ärger Fauchenden. »Eines Tages«, beruhigte er den Kollegen, der losfahren wollte. »Nicht heute und nicht morgen. Los haben Sie ihn schließlich, und rachsüchtig sind wir doch nicht.« Damit setzte er, am Kultusministerium angelangt, den schlechtgelaunten Flaucher ab.
    In Klenks Vorzimmer wartete Dr. Geyer. Er ging am Stock. Er hatte sich einen rötlichblonden Backenbart stehen lassen, scharf sprang die dünnrückige Nase aus dem blassen Gesicht. Er hat sich auf geschundenen Märtyrer zurechtgemacht, dachte Klenk.
    Klenk rieb sich gerne an dem verhaßten Anwalt. Geyer pflegte drei-, viermal des Jahres aus Gründen vorzusprechen, derenthalb der Minister andere nicht empfangen hätte. Solche Unterredungen hatten auch im allgemeinen kein praktisches Ergebnis. Dennoch waren die beiden Männer immer wieder gespannt auf ihre Begegnung.
    Diesmal kam Geyer wegen des Strafgefangenen Triebschener. Der Feinmechaniker Hugo Triebschener hatte in einer elenden Jugend Eigentumsdelikte begangen und war, zwanzigjährig, mit zwei Jahren Gefängnis bestraft worden. Entlassen, hatte er sich zäh hinaufgearbeitet. Er erwies sich als der weitaus geschickteste Uhrmacher seiner Gegend. Bald hatte er in der mittelgroßen norddeutschen Stadt, in der er beheimatet war, vier Filialen, gründete auch seinem Vater in einer anderen Stadt einen Uhrenladen, ernährte die Mutter, half der ganzen Familie mit Zuschüssen. Da kam der Krieg, und der Uhrmacher Triebschener, wie alle Vorbestraften, wurde unter Polizeiaufsicht gestellt. Ständige Meldungen beim Polizeikommissar, ständiger Geruch von Kriminalität um ihn, Polizei auf allen seinen Wegen. Die Bevölkerung war puritanisch zu Beginn des Kriegs, man freute sich, den rasch Hochgekommenen zu ducken. Gesellschaftliche Ächtung, geschäftlicher Boykott. Bankrott. In die letzte Schicht gedrückt, durch die Aufsichtsorgane von einem Ort zum andern gejagt, kaufte er einem Genossen, mit dem ihn die polizeiliche Meldung in Berührung gebracht hatte, gestohlene Silberlöffel ab. Er wurde ertappt, neuerlich vor Gericht gestellt. Dies ereignete sich in einer preußischen Kleinstadt. Das Gesetz ließ den Richtern die Möglichkeit, den Rückfälligen mit Freiheitsentzug von drei Monaten Gefängnis bis zu zehn Jahren Zuchthaus zu bestrafen. Es traf sich nicht günstig für den Uhrmacher Triebschener,daß unter den Leuten, denen früher jene silbernen Löffel gehört hatten, Richter waren, die, jetzt vor ihren spruchfällenden Kollegen als Zeugen auftraten. Auch war Humanitätsduselei während des Krieges nicht populär. Das Gericht entschied sich für die zehn Jahre Zuchthaus.
    Während des Kriegs Strafgefangener zu sein, war nicht angenehm. Die Kost auch derer, die frei herumgingen, war reduziert, noch mehr die Kost derer in den Zuchthäusern. Freilich auch die Bewachung. Es gelang dem findigen Uhrmacher Triebschener zu

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