Erfolg
hatte, und er lächelte, nicht ohne eine Art scharfer Befriedigung.
Wesen und Schicksal des Andreas Reindl, las er weiter, habe sich überraschend geändert, als durch den frühen Tod des alten Reindl die verzweigten Betriebe in seine Hand übergingen. Mit verblüffender Energie habe er sich da, ohne im übrigen sein wildes Privatleben aufzugeben, in die Welt der Geschäfte gestürzt. Zahlreiche ältere Beamte entlassen, frühzeitig mit dem Krieg gerechnet, sich darauf eingestellt. Im Gegensatz zu allen Münchner Gepflogenheiten folgenreiche Verbindungen mit der westlichen Schwerindustrie angeknüpft.
Die Signallampe des Telefonapparats leuchtete auf. Herr von Reindl beachtete es nicht. Erhob sich, ging, der schwere Mann, auf und ab. Immer das giftiggrüne Heft in den blassen, feisten Händen. Dieser bayrische Industrieführer, las er, habe, ohne viel von technischen Dingen zu verstehen, scharf gewittert, wo neuer Wind aufkam. Habe die erste deutsche Luftschiffgesellschaft auf die Beine gestellt, die erste deutsche Kraftfahrzeugfabrik. Als im Krieg die Wirtschaftsführer das Reich unter sich verteilten, sei Herrn von Reindl Südostdeutschland als Interessensphäre zugesprochen worden; aber es sei den Herren vom Rhein und von der Ruhr niemalsgeglückt, den tätigen Mann auf sein Gebiet zu beschränken, ihn aus ihren Geschäften zu eliminieren.
Er unterscheide sich sehr von den übrigen deutschen Großunternehmern. Man habe das Gefühl, als fabriziere er etwa Autos nicht, um Geld zu machen, noch weniger um Autos zu machen, sondern als organisiere er um der Organisation willen, aus Spaß. Weil es ihm nämlich Spaß mache, ein riesiges Gemenge herzustellen aus Autos, Zeitungsunternehmungen, Bier, nationalistischen Wehrverbänden, Schiffahrtslinien, kochender Volksseele, Hotels. Er unterstütze in weitem Ausmaß, doch sehr willkürlich, Kunstdinge. Als das Parlament stiernackig den Zuschuß zu den Münchner Galerien aus dem Budget gestrichen habe, sei er eingesprungen. Auch habe er den Ankauf eines gewissen umstrittenen Gemäldes »Josef und seine Brüder« für den Staat ermöglicht. Vielen Münchnern sei er als spinnert verdächtig. Geschäfte, Glaube, Liebes- und Kunstdinge gingen im Leben des Fünften Evangelisten seltsam ineinander, einzig erkennbares Motiv für den Betrachter sei neben jener bayrisch ungeordneten Gemütsverfassung Neugier, Nervenkitzel, Sensation.
Herr von Reindl, die Lektüre beendet, durchmaß den großen Raum mit dem lebhaften Schritt, den er aus früheren Jahren beibehalten hatte und der jetzt nicht mehr recht zu seiner anschwellenden Figur passen wollte. Er sah den etwas zweifelhaften Giorgione, darstellend Europa auf dem Stier, und er gefiel ihm nicht. Selbst das berühmte Lenbach-Porträt seiner Mutter an der anderen Wand betrachtete er ohne Wohlwollen. Der ganze Raum sah auf einmal wie ein Saal in einem Museum aus, nicht wie ein Büro. Blöd war das. Er schaute in den schmalen Spiegel, fand sein Gesicht gedunsen, nicht gesund. Er schmiß das giftiggrüne Heft auf den Schreibtisch zurück, sagte gelangweilt eher als verärgert: »Schafskopf.«
Das Signal des Apparats leuchtete wieder auf. Er nahm den Hörer ab. Der Sekretär fragte, ob nun die Herren von der Direktion kommen könnten. Herr von Reindl, die Stimme kam verblüffend hoch und fett aus dem massigen Körper, erwiderte:»Nein.« Und setzte hinzu, er lasse den Ingenieur Kaspar Pröckl bitten.
Seine Direktoren werden sich ärgern, daß er sie wegschickt und den jungen Rowdy herholt. Es ist übrigens wirklich Blödsinn, daß er sich mit dem Kerl abgibt, wo doch sein Tag so vollgestopft ist. Der Pröckl wird ihm nur den Bauch vollreden mit technischen Details. Sicher hat er wieder einen neuen Arbeitsplan in petto, wie man seinen billigen Serienwagen herstellen könnte oder sonst einen Schmarren. Er wird, der Reindl, zwanzig kostbare Minuten vergeuden. Es wäre vernünftiger, seinen schafsköpfigen Direktoren endlich einmal gewisse Prinzipien in ihre dicken Schädel zu hämmern.
Kaspar Pröckl kam. Er trug seine verwahrloste Lederjacke, war unrasiert, drückte sich, ziemlich entfernt von Reindl, auf der Kante des prunkvollen Stuhls, in unschöner Haltung. Musterte geduckt, aus tiefliegenden, mißtrauischen Augen seinen Chef. Kramte Pläne aus, Zeichnungen. Dozierte eifrig, im Dialekt. Wurde, da er den Eindruck hatte, Reindl verstehe schlecht, bald ungeduldig, begann zu schreien. Flocht immer häufiger ein grobes, heftiges
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