Erfolgreiches Teamcoaching
Aber wie soll ich das Finale gewinnen, wenn ich mir noch nicht einmal vornehme, zu siegen?
Reinhold Messner ist für mich in dieser Hinsicht ein großes Vorbild. Er ist bekannt geworden als der erste Mensch, der ohne Sauerstoffgerät den Mount Everest bezwungen hat. Er war der Erste, der alle Achttausender der Erde bestiegen hat. Das wissen die meisten. Es ist aber nur wenigen geläufig, dass von seinen 30 Expeditionen auf die höchsten Berge der Welt nur 18 auf dem Gipfel endeten. Die anderen musste er vorher abbrechen! Das impliziert eine Quote von nur 60 %. Heißt das, dass er in den anderen Fällen gescheitert ist?
Er selbst würde das mit Sicherheit verneinen. Denn aus jeder Expedition, die das Ziel nicht erreichte, hat er etwas Wichtiges für seine zukünftigen Unternehmungen gelernt. Und diese Fähigkeit, seine Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren, war die Voraussetzung dafür, dass er überhaupt noch lebt.
Wie viele Bergsteiger haben die Unfähigkeit, auch einmal zu „verlieren“, mit dem Leben bezahlt? Das spannende Buch von John Krakauer (Krakauer, 2000) über die von ihm miterlebte Katastrophe am Mount Everest stellt ein hervorragendes Beispiel dafür dar.
„Erfolg kann ich auf Dauer nur haben, wenn ich scheitern darf. Wie soll ich denn spielen, ohne zu verlieren, ohne zu scheitern? Würde ich aufgrund von Können, Glück, Zufall in Serie erfolgreich sein, wäre ich früher oder später verloren. Allzu große Distanz zur Realität wäre die Folge. Und Realitätsverlust führt unweigerlich früher oder später zum endgültigen Scheitern. Wir alle sind Menschen und als solche begrenzt. Wir alle machen Fehler. Deshalb sollten wir auch das Scheitern der anderen tolerieren lernen.“
(Messner, 1996)
Ralph Krueger brachte die Notwendigkeit der Niederlage für unsere Entwicklung in folgendem Zitat sehr gut auf den Punkt:
„Wer nie verliert, ist der eigentliche Verlierer. Er hat sich seine Ziele nicht hoch genug gesteckt.“
(Krueger, 2001)
Verlieren lässt sich also für uns Menschen nicht nur nicht vermeiden, es hilft uns sogar. Aus dem „Scheitern“ von heute ziehen wir die Lehren und die Kraft für den Sieg von morgen. Als ich die Spieler der Hockeynationalmannschaft einige Wochen nach dem WM-Turnier in einem Fragebogen darum bat, Gründe zu nennen, die aus ihrer Sicht entscheidend für den Titelgewinn waren, da sagten fast alle Spieler, die Vorrundenniederlage gegen Spanien hätte einen positiven Knackpunkt gebildet. Eine Niederlage war also der Grundstein des Erfolgs! Warum tun wir Menschen uns dann so schwer, eine Niederlage zu akzeptieren? Sicher ist Gewinnen schöner. Aber wir wissen nie, wozu ein Verlust dient. Auf jeden Fall kann ich ihn immer zu meinem Weiterkommen nutzen.
7.2 Das passende Ziel finden
Wenn ich die positive Kraft einer Zielsetzung erkenne, so stellt sich folgende Frage: Welches Ziel ist dann für mich und meine Mannschaft das Richtige? Psychologen sprechen gerne davon, dass ein Ziel dann sinnvoll formuliert ist, wenn es realistisch ist. Das stimmt auch, aber woher weiß ich, was für mich realistisch sein wird? Hätte Kaiserslautern 1997geglaubt, dass es am Ende der Saison als Meis-ter dastehen könnte? Wenn man das zu Saisonbeginn behauptet hätte, wäre man mit Sicherheit für verrückt erklärt worden. Und doch ist es so gekommen. Das bildet ja gerade den Reiz am Sport, dass es immer wieder faustdicke Überraschungen gibt, mit denen nun wirklich niemand gerechnet hat.
Nicht immer erreicht man das Ziel. Wenn es aber gelingt, ist es umso schöner.
Ich gebe deshalb meinen Athleten immer ein andere Formulierung, mit der ich sehr gute Erfahrungen gemacht habe:
Setze dir als Ziel das bestmögliche Resultat, an das du glauben kannst.
Nur ein Ziel, dessen Erreichen ich für möglich halte, hat eine positive Wirkung auf mich. Wenn ich das Ziel zu hoch setze, beflügelt mich das nicht, sondern es blockiert mich. Denn jedes negative Resultat erhöht im Saisonverlauf den Druck, der sowieso schon auf jedem Athleten lastet, spürbar. Wenn im Fußball sich der VfL Bochum als Ziel setzt, die Champions League zu erreichen, wie werden sich dabei wohl die einzelnen Spieler fühlen? Und was geht dann in ihnen vor, wenn sie aus den ersten vier Saisonspielen nur drei oder vier Punkte geholt haben?
Umgekehrt darf ein Ziel aber nicht zu niedrig gesetzt werden, sonst gibt man sich mit zu wenig zufrieden. Man reizt nicht aus, was man tatsächlich erreichen könnte. Borussia Dortmund
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