Erfuellt
Wasser aus dem Kühlschrank holte.
Auf einmal sprang die Hintertür auf, und Vince stand mit weit aufgerissenen Augen vor mir.
»Mr Kerrington, Sir, Sie müssen schnell kommen!«
Es ging um Della. Diesen Gesichtsausdruck kannte ich. Sie hatte wieder einmal einen Anfall. Verdammt!
Ich sprintete zur Tür. »Wo ist sie?«
»In Ihrem Büro, Sir. Sie wollte bei Ihnen vorbeischauen, und dann ist sie auf Ihre Mutter getroffen. Ich habe versucht, Sie anzurufen, aber es ging nur die Mailbox dran. Ihre Mutter ist also ins Büro gegangen, um mit Della zu sprechen – und als sie wieder herauskam, hörte ich Della schluchzen! Ich habe geklopft, Sir, aber sie hat nicht reagiert. Also bin ich hineingegangen.«
»Okay, das genügt, den Rest kenne ich schon. Erzählen Sie niemandem davon, haben Sie mich verstanden?« Ich wartete noch sein Nicken ab und raste dann quer über den Parkplatz zum Bürogebäude.
Verflucht. Meine Mutter hat sich von ihrer Leine losgerissen! Ich hätte Della nicht so lang allein lassen dürfen …
Verschiedene Personen riefen nach mir, als ich auf die Treppe zustürzte, weil ich nicht auf den Lift warten wollte. Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal und kam in weniger als einer Minute im dritten Stock an. Die Bürotür war geschlossen, und ich war heilfroh, dass Vince Della auf diese Weise vor den Blicken der anderen Mitarbeiter abgeschirmt hatte, die hier vorbeikamen.
Ich stieß die Tür auf und suchte den Raum ab, bis ich Della entdeckt hatte. Sie saß mit dem Rücken zur Wand, die Knie unters Kinn gezogen. Sie hatte die Arme um ihre Beine geschlungen und schaukelte schluchzend vor und zurück. Es zerriss mir jedes Mal das Herz, wenn ich sie so sah. Sie hatte sich doch in letzter Zeit so gut geschlagen. Ihre Albträume waren fast ganz verschwunden; jedenfalls hatte sie im vergangenen Monat keinen einzigen gehabt.
»Della!«, rief ich, als ich zu ihr hinüberging und hoffte, dass sie mich hören konnte und ich sie so irgendwie aus ihrem Anfall herausreißen konnte. Ich beugte mich zu ihr herunter und schloss sie in meine Arme. Sie fühlte sich ganz steif und kalt an.
»Nein, nein, nein, nein«, leierte sie vor sich hin.
»Ich bin da, meine Süße. Ich halte dich fest. Du bist bei mir, Della. Schhh. Es ist alles gut. Komm zurück zu mir, Baby. Bitte komm zurück. Ich bin bei dir, und ich halte dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich wahnsinnig.« Ich würde sie nicht loslassen, ehe ihr Körper sich wieder entspannt hatte.
Langsam, ganz langsam, löste sie den Klammergriff um ihre Beine. Stattdessen umarmte sie mich und vergrub ihren Kopf an meinem Hals. Sie war wieder da. Ich erklärte ihr weiter, wie wundervoll sie war und wie sehr ich sie liebte und wie ich für sie sorgen würde. Immer wieder. Ich hatte ihr zu viel Verantwortung übertragen, weil sie einfach gut in ihrem Job war. Hatte sie länger arbeiten lassen und seltener nach ihr gesehen. Das war meine Schuld. Wenn ich besser aufgepasst hätte, hätte meine Mutter sie niemals allein erwischt.
»Es tut mir leid«, sagte Della mit zittriger Stimme.
»Sag so was nicht«, antwortete ich und streichelte erst über ihren Kopf, dann über ihren Rücken. »Bitte, Baby, mach dir keine Vorwürfe. Es ist so schrecklich, dass du denkst, du müsstest dir welche machen.«
Della schniefte. »Ich muss stärker werden. Ich will es unbedingt. Stärker und tougher.«
War ihr eigentlich klar, wie verdammt tough sie bereits war? Sechzehn Jahre lang hatte ihr Leben einem Gruselfilm geglichen, dessen Finale noch einmal alles an Horror überbot, was zuvor geschehen war. Und trotzdem lachte sie noch und fand immer wieder Gründe zu lächeln. Sie war mutig genug, ihr Leben zu leben, und das trotz der Monster, die sie ihre gesamte Kindheit lang in ihrem Haus gequält hatten. Die waren nicht eingebildet, sondern sehr echt gewesen. Und sie hatte überlebt. Es war niemand, aber auch wirklich niemand so tough wie diese Frau.
»Della, im Ernst: Du bist stärker als alle, die ich kenne. Nur weil du dich manchmal selbst schützen musst und in andere Welten abdriftest, heißt das noch lange nicht, dass du schwach bist! Du bist eine echte Kämpferin. Meine Inspiration. Und ich liebe dich, komme, was da wolle.«
Della klammerte sich noch fester an mich. Meine Mutter hatte sie völlig durcheinandergebracht. Die würde ich mir ordentlich vorknöpfen. Noch mal würde sie Della nicht zu nahe kommen, und wenn ich ihr dafür Hausverbot erteilen musste. Damit musste
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