Erfuellung
konzentrieren, die er für mich aufgerufen hatte, aber es hatte keinen Zweck. Ich war zu abgelenkt, um bei der Sache zu bleiben. Schließlich rief ich Cary an.
»Wo zur Hölle steckst du?«, fragte er statt zu grüßen.
»Ich weiß, es ist verrückt«, sagte ich schnell, denn ich zweifelte nicht daran, dass sowohl meine Mutter als auch mein Vater in unserer gemeinsamen Wohnung angerufen hatten, als ich nicht an mein Handy ging. »Tut mir leid.«
Die Hintergrundgeräusche sagten mir, dass Cary irgendwo draußen auf der Straße unterwegs war.
»Könntest du mir vielleicht mal erklären, was eigentlich los ist? Alle rufen mich an: deine Eltern, Stanton, Clancy. Sie alle suchen nach dir, und du gehst einfach nicht ans Handy. Ich bin verrückt vor Sorge, dass dir etwas zugestoßen sein könnte!
Scheiße. Ich schloss die Augen. »Mein Dad hat das mit Nathan herausgefunden.«
Er schwieg, die Geräusche des Verkehrs waren das einzige Zeichen, dass er noch in der Leitung war. Dann kam: »Heilige Scheiße. O Baby. Das ist übel.«
Das Mitleid in seiner Stimme schnürte mir die Kehle zu, sodass ich nichts mehr sagen konnte. Ich wollte nicht schon wieder weinen.
Plötzlich verstummten die Hintergrundgeräusche, als ob er ein stilleres Plätzchen gefunden hätte. »Wie geht es ihm?«, fragte Cary.
»Er ist vollkommen fertig. Mein Gott, Cary, es war entsetzlich . Ich glaube, er hat sogar geweint. Und er ist wütend auf Mom. Deshalb ruft sie wahrscheinlich auch so oft an.«
»Was wird er jetzt tun?«
»Er kommt nach New York. Ich weiß nicht, wann er landet, aber er will sich dann melden.«
»Er fliegt jetzt ? Also heute?«
»Ich glaube schon«, sagte ich niedergeschlagen. Ich weiß aber nicht, wie er es hinkriegen will, so schnell frei zu bekommen.«
»Ich bereite das Gästezimmer vor, wenn ich nach Hause komme, falls du das nicht schon gemacht hast.«
»Ich kümmere mich schon darum. Wo bist du?«
»Ich bin zum Mittagessen und einer Matinee mit Tatiana verabredet. Ich musste eine Weile raus.«
»Es tut mir so leid, dass du meine ganzen Anrufe abbekommen hast.«
»Ach, kein Problem.« Er tat das Ganze auf die übliche Cary-Weise ab. »Ich war vor allem besorgt. Du warst in der letzten Zeit nicht oft zu Hause. Ich weiß nicht, was du treibst oder mit wem du es treibst. Du bist einfach nicht mehr du selbst.«
Der anklagende Ton in seiner Stimme machte meine Gewissensbisse nur noch schlimmer, aber ich konnte ihm nun einmal nichts sagen. »Es tut mir leid.«
Er wartete einen Moment, anscheinend auf eine Erklärung, dann aber sagte er leise: »Ich bin in ein paar Stunden wieder zu Hause.«
»Na gut. Dann sehen wir uns ja.«
Ich legte auf und rief meinen Stiefvater an.
»Eva.«
»Hi Richard.« Ich kam sofort zur Sache. »Hat mein Vater Mom angerufen?«
»Einen Augenblick bitte.« Ein oder zwei Minuten lang herrschte Stille am Telefon, dann hörte ich, wie eine Tür geschlossen wurde. »Er rief tatsächlich an, ja. Es war … ein unangenehmes Gespräch für deine Mutter. Das letzte Wochenende war sehr hart für sie. Es geht ihr nicht gut, und ich mache mir Sorgen.«
»Es ist für uns alle hart«, sagte ich. »Ich wollte euch nur Bescheid geben, dass mein Vater nach New York kommt, und dass ich etwas Zeit in Ruhe mit ihm verbringen will.«
»Du solltest Victor vermitteln, dass er deiner Mutter ein bisschen mehr Verständnis entgegenbringen sollte nach allem, was sie durchgemacht hat. Immerhin war sie damals ganz allein – mit einem traumatisierten Kind.«
»Und du musst verstehen, dass wir ihm Zeit geben müssen, damit klarzukommen«, gab ich zurück. Mein Ton war heftiger als beabsichtigt, spiegelte aber nur meine Gefühle wider. Ich würde mich nicht dazu zwingen lassen, Partei für eine Seite zu ergreifen. »Und ich möchte, dass du mit Mom redest und sie davon abhältst, mich und Cary ständig anzurufen. Wenn nötig, nimm Kontakt zu Dr. Petersen auf«, schlug ich vor, denn er war Mutters Therapeut.
»Monica spricht gerade auf der anderen Leitung. Ich werde mit ihr darüber reden, wenn sie wieder frei ist.«
»Nicht nur darüber reden. Unternimm etwas dagegen. Im Notfall musst du eben die Telefone verstecken.«
»Das ist extrem. Und unnötig.«
»Nein, das ist es nicht, wenn sie nicht aufhört!« Ich trommelte mit den Fingern auf den Couchtisch. »Du und ich, wir sind beide selbst schuld. Ständig sind wir auf Zehenspitzen um sie herumgeschlichen – O nein, wir dürfen Monica bloß nicht aufregen! –,
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