Erfuellung
jungenhaft schöne Art. Dann nahm er meine Hand und führte mich aus dem Schrank hinaus. Ich warf meine Kleider auf einen Sessel, bevor wir in die Küche gingen.
»Hast du heute was vor?«, fragte ich.
»Ich habe heute ein Shooting.«
»Na, das ist ja mal eine gute Nachricht!« Ich ging zur Kaffeemaschine, während er die Milch aus dem Kühlschrank holte. »Das verlangt nach Champagner.«
»Wohl kaum«, erwiderte er in spöttischem Ton. »Nicht wenn du hier mit deinem Vater zu tun hast.«
»Was sollen wir denn sonst machen? Herumsitzen und uns anstarren? Es ist nicht mehr zu ändern. Nathan ist tot, und selbst wenn er es nicht wäre: Was er mir angetan hat, ist lang vorbei.« Ich schob ihm einen dampfenden Kaffeebecher hin und goss einen zweiten Becher voll. »Ich möchte die Erinnerung daran am liebsten in ein kaltes, dunkles Loch verbannen und alles vergessen.«
»Für dich ist es vielleicht vorbei.« Er goss Milch in meinen Kaffee und schob ihn zu mir zurück. »Für deinen Dad sind es aber nun mal Neuigkeiten. Er wird darüber reden wollen.«
»Ich werde darüber nicht mit meinem Dad reden. Ich rede überhaupt nicht mehr darüber.«
»Damit wird er sich vielleicht nicht zufriedengeben.«
Ich sah Cary an, beugte mich über die Küchentheke und umfasste meine Tasse mit den Händen. »Er muss doch nur sehen, dass bei mir alles in Ordnung ist. Hier geht es schließlich nicht um ihn, sondern um mich. Ich hab’s überlebt und blicke nach vorn. Und das gelingt mir sogar ganz gut, finde ich.«
Er rührte in seinem Kaffee und musterte mich nachdenklich.
»Ja, das stimmt«, sagte er nach ein paar Sekunden. »Wirst du ihm von dem geheimnisvollen Mann erzählen?«
»Er ist nicht geheimnisvoll. Ich kann nur einfach nicht über ihn reden, und das hat nichts mit unserer Freundschaft zu tun. Ich vertraue dir und liebe dich, und ich verlasse mich auf dich wie immer.«
Seine grünen Augen schauten mich über den Rand seines Bechers hinweg herausfordernd an. »So sieht es aber nicht aus.«
»Du bist mein bester Freund. Wenn ich alt und grau bin, dann wirst du immer noch mein bester Freund sein. Dass ich nicht über den Typen spreche, ändert daran nichts.«
»Wie soll ich denn nicht das Gefühl haben, dass du mir nicht traust? Was hat es mit diesem Kerl auf sich, dass du mir noch nicht einmal einen Namen oder sonst etwas sagen kannst?«
Ich seufzte und erzählte ihm eine Halbwahrheit. »Ich kenne seinen Namen nicht.«
Cary verstummte und starrte mich an. »Du willst mich verarschen.«
»Ich habe ihn nie danach gefragt.« Wie jede ausweichende Antwort, so forderte auch diese weitere Nachfragen heraus. Cary warf mir einen langen Blick zu.
»Und da soll ich mir keine Sorgen machen?«
»Nein, denn ich fühle mich wohl bei dieser Sache. Wir bekommen beide, was wir brauchen, und ich liege ihm am Herzen.«
Er musterte mich. »Wie nennst du ihn, wenn du kommst? Du musst doch irgendetwas rufen, wenn er gut im Bett ist. Und das nehme ich an, da ihr beide euch offensichtlich nicht dadurch kennenlernt, dass ihr tief greifende Gespräche führt.«
»Oh …« Die Frage brachte mich aus dem Konzept. »Ich glaube, ich sage nur: ›O Gott!‹«
Er warf den Kopf in den Nacken und lachte.
»Und wie schaffst du das eigentlich, zwei Beziehungen unter einen Hut zu bringen?«, fragte ich.
»Mir geht es gut dabei.« Er schob eine Hand in seine Hosentasche und wippte auf den Fersen zurück. »Ich glaube, in meinen Beziehungen zu Tat und Trey bin ich so monogam wie nie zuvor. Bis jetzt funktioniert es für mich.«
Ich fand das gesamte Arrangement faszinierend. »Hast du nicht Sorge, dass du mal den falschen Namen rufst, wenn du kommst?«
Seine grünen Augen blitzten. »Nein, ich nenne sie einfach beide Baby.«
»Cary.« Ich schüttelte den Kopf. Er war einfach unverbesserlich. »Wirst du Tatiana und Trey einander vorstellen?«
Er zuckte die Achseln. »Das halte ich für keine gute Idee.«
»Nein?«
»Tatiana ist sogar an guten Tagen eine Zicke, und Trey ist einfach nur ein netter Kerl. Also nicht die beste Kombination, wie ich finde.«
»Du hast mir mal gesagt, dass du Tatiana nicht besonders magst. Hat sich das geändert?«
»Sie ist, wie sie ist«, sagte er abweisend. »Ich kann damit leben.«
Ich starrte ihn an.
»Sie braucht mich, Eva«, sagte er ruhig. »Trey will mich, und ich glaube, er liebt mich, aber er braucht mich nicht.«
Das konnte ich nachvollziehen. Manchmal war es einfach schön, gebraucht zu werden.
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