Erhört: New Tales of Partholon 4 (German Edition)
Wesen.
Genau wie Lochlan, flüsterte die Stimme in ihrem Kopf.
Sie schaute ihn an und zwang sich, die Kreatur vor ihren Augen wirklich zu sehen. Sein Körper war menschlich. Er war groß und muskulös und gut gebaut, aber Menschen hatten keine mit Daunen besetzten Flügel, die sich an ihren Rücken schmiegten. Sie hatten auch keine Haut, die leicht zu glühen schien, als würde fahles Licht sie von innen heraus erleuchten. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals einen Menschen mit mandelförmigen Augen gesehen zu haben, mit Augen, die die Farbe des sturmgepeitschten Himmels hatten. Ihr nachdenklicher Blick glitt langsam über seinen Körper. Seine Füße – sie waren nackt und sahen seltsam aus. Sie erinnerte sich, das schon einmal gedacht zu haben, als er nach dem Kampf mit dem Wildschwein im Fluss gestanden hatte.
„Klauen“, sagte Lochlan, der ihrem Blick gefolgt war. Er hob einen Fuß vom Waldboden und zuckte mit den Schultern. „Ich habe Krallen. Du hast Hufe. Wenn ich die Wahl hätte, ich glaube, ich hätte lieber eines von beidem anstelle der Füße eines normalen Menschen.Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, Schuhe zu tragen.“
Völlig unerwartet lachte Elphame laut auf. „Das ist das erste Mal, dass ich es offen zugebe, aber ich habe oft genau das Gleiche gedacht. Du würdest nicht glauben, in was für enge kleine Gefängnisse meine Mutter ihre Füße steckt. Als ich ein kleines Mädchen war, hat es sie sehr traurig gemacht, dass ich keine mit Rüschen verzierten kleinen Söckchen und komische Schuhe tragen konnte. Also hat sie meine Hufe immer so lange geputzt und poliert, bis sie glänzten. Ich habe ihr zu erklären versucht, dass das völlig unwichtig ist, weil ich meine Hufe mag, wie sie sind, aber sie hat das, glaube ich, nie wirklich verstanden.“
Er erwiderte ihr Lächeln. „Meine Mutter hat mir immer nur gesagt, dass ich meine Krallen gut stutzen soll, weil sie es leid war, andauernd die Bettlaken zu flicken.“
Es war so leicht, mit ihm zu reden. Als sie aufhörte, nach seiner menschlichen Seite zu suchen, und anfing, auf ihn zu reagieren, wie eine Frau auf einen Mann reagierte, stellte sie fest, wie leicht es war, seine Andersartigkeit zu vergessen. Bei der Göttin! Sie selbst war ja auch anders. Ihr Herz sagte ihr, dass er kein Monster war, aber konnte sie ihrem Herzen trauen?
Vertraust du ihr, Geliebte, hatte Epona gefragt.
Ja, ich vertraue ihr. Ihre Mutter hatte mit ruhiger Sicherheit geantwortet.
Elphame hatte sich vertraut, als es darum ging, die MacCallan-Burg aufzubauen – und das war die richtige Entscheidung gewesen. Wieso war das hier anders? Lochlan war nur eine weitere, ihr Leben verändernde Entscheidung, der sie sich stellen musste. Vielleicht war es an der Zeit, dass sie erwachsen wurde und anfing, sich wirklich selbst zu trauen.
Im Schatten des Waldes verharrend zeigte Lochlan keinerlei Anzeichen für den Tumult, der in seinem Inneren tobte. Äußerlich ruhig schaute er zu, wie sie stumm mit ihren widerstreitenden Gefühlen kämpfte. Was konnte er ihr sagen? Er konnte sie nicht bitten, ihn zu akzeptieren. Wie sollte er? Was, wenn er keine andere Lösung fände als ihr Blut, um die Prophezeiung zu erfüllen? Er sollte sie verlassen – jetzt sofort. Er sollte sich umdrehen und davonlaufen und sie nie wiedersehen, auch wenn das sein Volk zu ewigem Wahnsinn verdammte.
Er spürte ständig das Erbe des Dämons, das in seinen Adern pulsierte. Entführe sie, murmelten die Ströme seines dunklen Blutes verführerisch, nimm sie und tu mit ihr, was immer du willst.
Nein! Lochlan hieß den Schmerz willkommen, der stets als Reaktion folgte, wenn er den Dämon in seinem Blut unterdrückte. Den Schmerz, der sein Volk veranlasste, die Menschlichkeit aufzugeben und sich langsam dem Wahnsinn und der niemals endenden Blutlust hinzugeben, die Kern der fomorianischen Rasse war. Schmerz war der Preis, den sie dafür zahlten, nach mehr zu streben als ihre dämonischen Väter. Sie waren von Geburt an anders, einzigartig. Im Bauch ihrer jeweiligen Mutter hatten sie sich verändert. Anstatt nach den Fomorianern zu kommen, hatten sie etwas entwickelt, das beinahe menschlich war. Der Ruf ihres dunklen Erbes blieb aber stete Verlockung, gegen die sie ankämpften. Verlockung, erfüllt von Träumen vom Tod, der vom Geruch von Blut durchtränkt war und wahnsinnig machte.
Wie konnte Elphames Tod sein Volk von der Gewalt erretten, die es langsam zerstörte? Wie konnte die Göttin von
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