Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

mühsam beherrscht heraus: »Warum Grönland? Warum hast du diese eisige Wildnis so genannt?«
    »Weil sonst …« Er lächelte dünn. »Na ja, ich dachte, wenn die Leute einen schönen Namen hören, dann wollen auch viele mit.«
    Fassungslos starrte sie ihn an, Tränen nässten ihr Gesicht. »Auch ohne diesen Betrug wäre ich dir und Tyrkir gefolgt, weil wir eine Familie sind. Und müssen wir dort zu Grunde gehen, wäre es nur das Ende der Sippe Erik Thorvaldssons gewesen. Jetzt aber … ein ganzes Volk. Niemand darf solche Schuld auf sich laden.«
    »Komm näher!«, bat Erik, seine Stimme wurde sanft. »Weil ich diesen Platz nicht verlassen darf.« So gut es ging, wischte er ihr die Tränen von der Wange. »Du wärst wirklich auch so mitgefahren?« Er seufzte tief. »Dann war keine Mühe umsonst.«
    »Was redest du da?«
    »Weil ich dir die Wahrheit gesagt habe, vielleicht nicht ganz, geb ich zu, aber in einer Woche zeige ich dir unsere grüne Hauswiese.«
    »Du meinst …« Sie hielt die Hand fest und suchte in seinem Blick. »Nein, so kannst du nicht lügen. Oder?«
    Thjodhild ließ ihn allein, eine Zeit lang sah sie unschlüssig nach vorn zum Bug. Tyrkir erzählte seinem Ziehsohn gerade etwas, dabei rollte er die Augen, verknautschte das Gesicht und Leif lachte hell und strahlte ihn an. Nicht jetzt, beschloss sie, später werde ich ihn fragen, falls das grüne Land zu lange auf sich warten lässt.
    Der Nordweststurm hatte die Aussiedlerflotte vom Kurs abgetrieben, dies wurde den beiden Freunden bald klar, denn auf ihrer ersten Fahrt lauerten in Küstennähe weit mehr Eisberge.
    »Wir sind viel tiefer im Süden, als ich vermutet habe«, sagte Tyrkir nach einem Tag, und am folgenden Mittag kam Erik zu ihm aufs Bugdeck. Er schirmte seine Augen gegen die Sonne, schließlich grinste er. »Ich wusste es, Schlaukopf. Das Glück erwartet uns.«
    Vor ihnen war das Meer eisfrei. »Volles Segel!«
    Ihre Fahrt wurde zum wilden rauschenden Fest. Bei steifem Wind ritt das Reittier um die Südspitze und zog den Verband hinter sich her, führte ihn sicher in die Mündung eines Fjords.
    Mit den Rahbalken sanken die Segel und keine Gischt spritzte mehr an den Drachenköpfen hoch. Ehe aber das letzte Tuch eingeholt war, ertönte bereits das Hornsignal, und durch den Trichter der Hände gab Erik seine Anweisungen. Allen Schiffsführern war es untersagt, den Anker zu werfen. Kein Beiboot durfte ans steinige Ufer fahren. »Wir sind nicht am Ziel!«
    Eine kurze Atempause, mehr wollte der Rote den Besatzungen nicht gönnen. Flüche und Drohungen nahm er mit starrem Gesicht hin. »Ich habe die Befehlsgewalt! Ohne mich werdet ihr das grüne Land nie sehen.«
    Er ließ sein Schiff längsseits an den Knorr des Herjulf rudern. »Merke dir diese Einfahrt, Freund!« Nicht weit fjordeinwärts gab es einen geschützten Hafen, und an dessen Ufer hatte er für den Gutsherrn und erfahrenen Geschäftsmann einen Siedlungsplatz abgesteckt; wie schon auf Island mit ihm ausgemacht sollte Herjulf dort außer seinem Wohnhaus große Speicherhallen errichten. »Du wirst die wichtigste Handelsniederlassung in meinem Grönland führen. Und glaub mir, ich habe die Stelle gut gewählt!«
    Ganz gleich, woher demnächst die Kauffahrer kamen, ob von England, den Hebriden, Dänemark oder Norwegen. Hier würden sie zuerst an Land gehen und hier sollten sie ihre Waren lagern können. Von diesem Angebot war Herjulf sofort begeistert gewesen. Sein einziger Sohn Bjarne befuhr längst an seiner statt als Großhändler die Meere und er selbst fühlte sich zu alt, um allein mit wenigem Vieh einen Neubeginn zu wagen, die Aussicht indes, hier in Grönland ein neues Geschäft aufbauen zu können, verlieh ihm frische jugendliche Kraft.
    »Setzt die Segel!«
    Auch der zukünftige Herr über die Handelsniederlassung schloss sich dem Verband wieder an, erst wenn er die ihm und seinem Knorr anvertrauten Familien im verheißenen grünen Land abgesetzt hatte, durfte er in seinen Herjulfsfjord zurückkehren.
    Zwar trieb kein eisiger Wind mehr die Schiffe entlang der Westseite hinauf nach Norden, aber von Stunde zu Stunde mehr erfror die Hoffnung der Auswanderer. Sosehr sie auch die Küste absuchten, zwischen schroffen Felsen und Geröllstränden hatten sie bisher nicht einmal so viel nutzbares Land entdeckt, um wenigstens drei Siedlern neuen Lebensraum zu bieten.
    Leif kletterte aufs Bugdeck. »Sollen wir den Kurs bestimmen?«
    »Nicht mehr nötig«, antwortete sein Onkel, ohne