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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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schwöre dir, der Preis ist mir gleich. Einen neuen Steuerknecht finde ich in Drimore an jeder Ecke. Hast du mich verstanden?!«
    »Aber Herr.« Der Mann erbleichte und erhob sich. Leise entfernten sich seine Kameraden. Niemand an Bord hatte den besonnenen Lotsen je so außer sich gesehen. »Ich hab gedacht …«
    »Schweig! Du hast nur zu denken, wenn ich es dir erlaube!«
    »Verzeih, Herr! Wusst ich ja nicht.«
    »Du sollst dein Maul halten!« Tyrkir schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Verflucht, warum hat mich keiner von euch Trotteln geweckt?« Er stampfte zur Reling, atmete, schüttelte den Kopf und kehrte gefasster zurück. »Also noch mal von vorn. Rede!«
    »Ich weiß nicht, was du hören willst, Herr?«
    »Reize mich nicht …« Sofort unterbrach sich Tyrkir. »Nein, dir ist kein Vorwurf zu machen. Wann ist der Schiffsführer von Bord gegangen?«
    »Na ja, der Regen hatte aufgehört. Und die Sonne war noch ziemlich hoch über dem Westen.«
    »So früh schon? Und wie ging es ihm? Ich meine, wie sah er aus?«
    Der Bootsmann zögerte, als Tyrkir warnend den Finger hob, gestand er: »Nicht so gut, Herr. Zwei mussten ihm den Dreck vom Hemd und von der Hose abputzen. Und sein Gesicht, also ich weiß nicht, wo er reingefallen ist. Aber keine Sorge, Herr. Er war vergnügt und hat immer so vor sich hin gemurmelt. Die Frau muss wohl gut für ihn kochen. Ach ja, und dann hat er noch was von einem Hengst erzählt.«
    »Ein Hengst?«
    »Muss wohl eine besondere Rasse sein. Vielleicht will er ihn der Frau abkaufen.«
    »Unmöglich. Unser Frachtraum ist voll, das weiß er doch.«
    Entschlossen zog Tyrkir den Mantel fester um die Schultern und stieg die Außenleiter hinunter.
    Der Bootsmann beugte sich über die Bordwand. »Verzeih, Herr! Noch etwas.« Ein Händler war während des Tages zum Knorr gekommen, hatte nach Rentierfellen gefragt und wollte am Abend wieder vorbeischauen. »Was sag ich ihm?«
    »Heute habe ich für Geschäfte keine Zeit. Vertröste ihn auf morgen oder übermorgen.«
    Erst zögerte der Knecht, dann wagte er es doch: »Verzeih, Herr, aber es ist nur wegen der Wache, bleibst du auch wieder die Nacht weg?«
    »Setzt euch zum Würfeln und wartet auf mich. Ich suche eine Frau. Und wenn ich Glück habe, bin ich sogar bald wieder da.«
    Tyrkir ging schnellen Schritts zum Hafenplatz hinüber. Etwas abseits fand er einfache Fischer, die an ihren Netzen flickten. Er grüßte freundlich, plauderte über das Wetter und sprach davon, wie dringend er den Vorrat an Fisch erneuern müsste. Ganz beiläufig erkundigte er sich: »Gibt es in Drimore eine Zauberin? Eine kluge Völva?«
    »Wir sind Christen.« Sofort beugten sich alle Köpfe tiefer über die Maschen.
    War auch der erste Versuch gescheitert, Tyrkir durfte nicht aufgeben, er wartete eine Weile und verbesserte dann: »Eine, die sich in der Heilkunde auskennt. Wir kommen aus Grönland und jetzt ist mein Freund erkrankt. Es muss doch eine weise Frau bei euch leben?«
    Schweigen. Schließlich brummte einer. »Geh zur Thorgunna!« Sein Nachbar spuckte aus. »Die hilft unsereinem nicht, wenn er kein Geld hat.«
    Wieder nur Schweigen. Irgendwann ließ ein vom Alter verwitterter Fischer die Nadel sinken. »Trude. Auch wenn es der Priester nicht gerne sieht. Unsere Trude kennt sich aus.«
    »Wo finde ich sie?«
    Tyrkir wurde zum anderen Ende der Siedlung geschickt. Er folgte dem Pfad durch hügelige Weiden und während er sich gegen die steife Brise aus Nord anstemmte, bat er Gott Tyr um Hilfe. Zweifaches Glück benötige ich: Der Junge muss zur Besinnung kommen und außerdem sorge möglichst bald für beständigen Südwest, damit wir diesen unseligen Fleck in Richtung Norwegen verlassen können.
    Er gelangte auf eine Kuppe und mit einem Mal roch es deutlich nach Herdbrand. Nirgends war im Zwielicht eine Behausung auszumachen, doch weit konnte sie nicht mehr sein.
    Da bemerkte er nur ein Stück den Wiesenhang abwärts zwei Schafe und rings um die grasenden Tiere hockten Raben wie ein schwarzer Zaun. Seltsam, dachte er und stieg hinab.
    Sofort lösten die Raben flatternd den Kreis auf, bildeten eine doppelte Frontreihe gegen ihn und krächzten, während die Schafe in ihrem Rücken nicht einmal den Kopf hoben. Je näher er kam, umso drohender wurde das Geschrei. »Gebt Ruhe!« Tyrkir wich etwas vom Pfad ab und wedelte mit den Armen. »Schon gut. Ich will nichts von euch!«
    Als er fast schon an ihnen vorbei war, sah er das Steinhaus. Es lag geduckt

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