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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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seinen Leib, begleitet von stoßweisem Rülpsen; als das Flattern der Lippen einsetzte, umfasste Tyrkir die Schultern seines Schützlings und presste ihm die Hand auf den Mund. »Nicht ausspucken. Atme, Junge, atme!«
    Leif schlug um sich, war zu schwach, sich loszureißen, und sog die Luft durch die geblähten Nasenflügel ein.
    Erleichtert stellte Tyrkir fest, dass der Anfall schwächer wurde, so wie es die Völva vorausgesagt hatte. »Aber warte nicht!«, war er von ihr gewarnt worden. »Nutze den Augenblick!«
    Nur ein leiser Ruf und sofort erschien der Steuerknecht an Deck. Ohne Leif loszulassen, befahl er: »Klares Wasser!«
    Alle Männer an Bord waren noch in der Nacht von ihm unterrichtet worden und sechs der geeignetsten hatte er sich für die Heilkur ausgewählt. Vorsichtig gab Tyrkir den Mund frei und setzte die Schöpfkelle an. »Nimm!« Trotz des anklagenden Blicks versicherte er: »Es wird dir helfen.«
    Leif kostete, dann trank er in großen Schlucken. »Onkel …«, keuchte er, »mir ist so elend … was war vorhin im Becher?« Die Beine knickten ein, schnell sprang der Bootsmann zu Hilfe und vereint hielten sie ihn aufrecht.
    »Wasser aus unserm Bottich, Junge. Reines gutes Wasser.«
    »Aber warum …?«
    »Dir wird sicher der Met und das üppige Essen nicht bekommen sein. Aber sorge dich nicht! Du bist in guten Händen.«
    »Thorgunna. Ich will mich ausruhen … weil ich … weil ich heute Abend zu meiner Liebsten muss.«
    Tyrkir fühlte, wie das Zittern erneut den Körper befiel; was nun folgte, durfte nicht an Deck vor den Augen der Hafenbesucher geschehen. Gemeinsam mit dem Bootsmann brachte er seinen Ziehsohn hinunter in den überdachten Frachtraum. Tranlampen erhellten das Lager. Zwei Knechte hielten Eimer und Tücher bereit, die übrigen drei griffen nach Mantel, Hemd und Pluderhose, doch zu langsam, ehe auch Stiefel und Strümpfe abgestreift waren, erbrach Leif den Mageninhalt, würgte weiter und gleichzeitig leerte sich der Darm. Nur weniges konnte mit Eimern und Tüchern aufgefangen werden. Nahm auch der Gestank den Atem, die Helfer wuschen ihren Herrn sauber und deckten ihn später mit einem Robbenfell zu.
    »Onkel, mir ist kalt.« Eine zweite Decke wurde gebracht. »Onkel«, flüsterte Leif erschöpft. »Wecke mich rechtzeitig. Weil doch Thorgunna …« Er schnarchte mit offenem Mund.
    Tyrkir winkte die Männer zu sich. »Bis unser Schiffsführer wieder gesund ist, hört ihr nur auf meinen Befehl. Habt ihr mich verstanden?« Er wartete, bis alle nickten, und gab dann leise seine Anweisungen. Keinen Augenblick durfte der Schiffsführer ohne Aufsicht sein, deshalb sollten jeweils zwei Knechte abwechselnd die Wache übernehmen. »Er darf das Lager nicht verlassen, wenn nötig fesselt ihn. Und habt keine Angst vor Strafe, ihr steht unter meinem Schutz.« Tyrkir hob den Finger: »Und merkt euch: Leif darf nichts trinken! Ganz gleich, wie er auch flucht oder darum bettelt, ihr gebt ihm nicht einen Schluck. Wasser erhält er nur von mir.«
    Als hätte ihn eine Stimme gerufen, erwachte Leif pünktlich zur selben Stunde wie an den Nachmittagen zuvor und versuchte aufzustehen, sah nicht den Onkel, nur die Knechte, ehe er kraftlos zurückfiel. »Bringt mir meinen Mantel …« Nach einer Weile murmelte er: »Auch die Hosen«, und war wieder eingeschlafen.
    Mitten in der Nacht fuhr er hoch. »Ja, Liebste, dein Hengst kommt zu dir!« Schwer legten sich Hände auf seine Schultern. Verwundert blickte Leif nach rechts und links. »He, was soll das? Lasst mich sofort los!« Doch die Sklaven lockerten den Griff nicht. »Ich kann über eure Späße nicht lachen, Freunde. Gebt mir Wasser und helft mir in die Kleider! He, habt ihr nicht verstanden? Das ist ein Befehl. Also beeilt euch!« Er versuchte die Hände abzuschütteln, doch sofort verstärkten seine Bootsmänner den Druck. »Verflucht, was ist in euch gefahren?«
    »Sie dürfen dich nicht loslassen, Junge.« Beim Klang der Stimme hob Leif den Kopf und rieb sich die Augen. »Onkel?«
    Tyrkir rückte den Hocker näher ans Fußende des Lagers. »Du bist krank, sehr krank und musst an Bord bleiben.«
    »Aber Thorgunna wartet. Sie kann mir Kräuter geben.«
    »Das hat sie schon zur Genüge getan, nur waren es keine Heilkräuter.«
    Mit einem Mal glitzerten die Augen in den schwarzen Höhlen, einsichtig nickte Leif: »Wenn du es meinst, dann will ich gehorchen.«
    Tyrkir gab den Wächtern einen Wink und sie ließen den Schiffsführer los. Sofort sprang

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