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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Pulver nicht gleich wirken kann?« Sie setzte die Fingerkuppe an seinen Ohrwulst und fuhr der Narbe nach bis zum Mund. »Du sollst schlafen, hörst du, und vergessen!«
    Für lange Augenblicke glitten ihre Brüste wie Segel vor seinem Gesicht hin und her. Ein glühender Duft stieg in seine Nase und er dachte, das Wetter klart auf und ich kann endlich mit der Schattennadel wieder unsern Kurs bestimmen … Nur weiß ich nicht, wo Leif sie … und dachte noch … ich muss fragen …
    Sein Arm wurde lang und länger gezogen und schließlich gelang es Tyrkir, ihm mit dem Körper zu folgen. »Sei vorsichtig, Onkel!«
    Die Knie drohten einzuknicken, noch halb im Schlaf stützte er sich auf den Ziehsohn. »Warte, Junge!«, keuchte er und hustete. Sein Mund war ausgedörrt, wie nach einem langen Kampf schmerzten ihn die Glieder. Tyrkir öffnete die Augen und erschrak vor Leifs zerkratztem Gesicht, den aufgeplatzten Lippen. »Was ist mit dir geschehen?«
    »Ich bin so glücklich, Onkel. Nur etwas müde.« Der selig glasige Ausdruck in den Augen weckte Tyrkir vollends auf. Wir befinden uns im Hause der Thorgunna, stellte er fest. Sonderbar, die Tischplatte ist leer und blank gescheuert, in den Wandteppichen zwischen dem Kreuz bewegt sich keines der Schlangenwesen. Vorsichtig blickte er zum geschlossenen Vorhang. Was war dahinter? Er versuchte sich zu erinnern. Wir haben gegessen, Suppe gab es, danach Fisch und wir haben getrunken. Richtig. Thorgunna sagte, dass sie hinter dem Vorhang ihr Schlafgemach eingerichtet hat und dass es mich nicht interessiert. Richtig.
    »Wo ist unsere Gastgeberin?«
    »Das weiß ich nicht.« Er hob leicht die Achseln. »Als ich aufwachte, lag ich allein in dem Himmelbett. Sie ist nie morgens da, wenn ich gehe.«
    »Himmelbett?«
    »Ja, so nennt sie es. Du ahnst ja nicht, wie schön es ist, in ihren Kissen zu liegen und in die blaue Seidenwolke zu schauen. Ach, Onkel.«
    »Was redest du da!? Komm, lass uns gehen.«
    Einen Fuß vor den anderen, so tappten sie aus dem Raum. An der Tür wurden sie von einer Magd aufgehalten. »Meine Herrin lässt Grüße ausrichten und sich entschuldigen. Das soll ich bestellen und sie freut sich, wenn der junge Herr heute Abend ihr wieder seine Aufwartung … Ach, ich kann das nicht so sagen. Also besuchen sollst du sie.«
    »Ich bin pünktlich, sag ihr das.« Leif grinste vor sich hin. »Ich besuche sie jetzt immer.«
    »Da reden wir noch drüber«, murmelte Tyrkir und schob ihn vor sich her.
    Draußen klatschte ihnen der Regen ins Gesicht, bei jedem Schritt versanken sie knöcheltief im aufgeweichten Boden. »Na, schwebst du heute auch?«
    »Ja, schau her.« Leif vollführte einen kleinen Hüpfer und schlug in den Matsch. Es kümmerte ihn nicht, als er sich aufgerafft hatte, hüpfte er wieder. »Siehst du, wie leicht ich tanze.«
    »Selbst der dümmste Hammel kann das besser.«
    Von da an schwieg Tyrkir. Jeder klare Gedanke verlor sich sofort irgendwo in seinem Kopf, später, dachte er, später werde ich mir etwas einfallen lassen.
    Wie nasse, geprügelte Hunde erreichten sie das Schiff. Den Spott der Mannschaft nahmen beide kaum wahr, wurden an Bord gehoben und fielen vor den Bottichen auf die Knie.
    Wasser, der Becher saß zu fest in der Lederschlaufe, die Schöpfkelle glitt Leif aus der Hand, und weil der Eimer zu schwer war, tranken sie wie durstige Pferde daraus. Im Bordzelt streckten sie sich ermattet nebeneinander lang. »Ach, Onkel«, murmelte Leif. »Diese Frau. Nie werde ich mich von ihr trennen.«
    »Still, Junge. Sei still!« Tyrkir legte schützend die Hand über seine Narbe.
    Noch vor dem Ende des Traums wachte er auf und sah, wie Schlangenköpfe sich auf fleischigen Kugeln drehten, kleiner wurden und hinter einem blauen Seidentuch entschwanden. Er bemühte sich, das Bild zu ergründen, und obgleich sein Verstand ihm wieder gehorchte, fand er keine Deutung, außer dass der Traum irgendwie mit dem gestrigen Abend zusammenhängen musste.
    Sofort tastete er nach seinem Schützling. Verflucht, der Schlafsack aus Robbenfell war leer. Auch an Deck fand er ihn nicht, nur die eingeteilten Wachen hockten beieinander und würfelten. »Wo ist Leif Eriksson?«
    Feixend wies der erste Bootsmann über den Hafenplatz zu den vornehmen Häusern der Kauffahrer hinauf. »Na, wo ihr beide heute Morgen hergekommen seid.«
    »Sklave!« Schon war Tyrkir über ihm. »Wage es nicht, in diesem Ton mit mir zu sprechen. Sonst verkaufe ich dich an irgendeinen Christen. Und ich

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