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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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wollte durch seinen Anblick nicht die Freude stören und war im Bett geblieben. So wies sie ihrem Ältesten den Platz vor Kopf an und bat Tyrkir, sich neben ihn zu setzen.
    Leif hob seinen Becher, wollte gerade das Mahl eröffnen, da schlug Thjodhild mit dem Löffel auf die Tischkante. »Geduld.« Sie legte ihre Hände zusammen, auch Freydis und die Brüder, jetzt endlich begriffen die Männer und folgten dem Beispiel. Mit leiser Stimme dankte sie Gott, dem Herrn, lud ihn als Gast zu Tisch und das Amen sprachen alle gemeinsam. Thjodhild zwinkerte dem Freund zu. »Mir scheint, während der Fahrt habt ihr euch wenig an die Bräuche des Christenglaubens gehalten.«
    »Doch, schon«, versicherte er lahm und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.
    »Auf unsere Heimkehr!« Obwohl es nur Sauermilch war, leerte Leif den Becher in einem Zug.
    Zur Hühnerbrühe gab es die Überfahrt und Entdeckung des Flachsteinlandes. Zum duftenden Seehundbraten reichte Leif der Mutter und den Geschwistern die weiße Sandöde des Waldlandes. Bei frischem Salat aus Blättern und Stängeln der Engelwurz näherten sich Leif und Tyrkir abwechselnd den Ufern des Weinlandes, und kaum hatten sie es betreten, da sprachen sie meist gleichzeitig. Nur durch Fragen und Zwischenrufe gelang es der Familie, sich ein Bild von dem entdeckten Paradies zu machen. Während der Nachspeise steckte Thorvald mit einem Mal seinen Löffel in den beerengesüßten Weichkäse des großen Bruders. »Ich auch!«
    Verblüfft unterbrach Leif den Bericht.
    »Ich will auch nach Vinland fahren.« Die Begeisterung leuchtete in den Augen. »Du könntest mir deinen Knorr leihen.«
    »Das fehlte noch. Wie weit willst du kommen?«, spottete der Entdecker. »Ehe du den Fjord verlassen hast, liegt mein Falke mit gebrochenem Mast auf Grund.«
    »Glaubst du, ich könnte kein Schiff führen? Bis runter zur Handelsniederlassung hab ich schon an der Pinne gestanden.« Thorvald schnappte nach seinem Löffel und drohte. »Wenn du mir deinen Knorr nicht gibst, dann frage ich eben Vater.«
    »Und ich darf dich dann aus dem Wasser fischen wie den Gesandten vom Königshof.«
    »Schluss jetzt!«, griff Thjodhild ein. »Was soll der Streit? Wir reden später darüber. Heute …« Sie hielt inne und sah stirnrunzelnd zum Langfeuer.
    Tyrkir, auch Leif wandten sich um.
    Dort stand Freydis huldvoll wie ein Engel. An der Hand hielt sie das Kind. Der große Kopf wackelte über den Schultern. Es trug ein weißes Kittelchen und sein Mund lachte.
    »Na komm, du Prachtkerl!«
    »Tante.« Eifrig setzten sich die Spinnenfüße in Bewegung.
    »So ist’s brav«, lobte Freydis und führte ihn zum Tisch. Als die beiden sich Leif näherten, rückte er mit dem Hocker ein Stück nach hinten. »Wen bringst du da?«
    Kurz zupfte Freydis an den Krauslocken. »Na los!«
    Der lächelnde Mund öffnete sich und zwischen jedem Wort schnappte er nach Luft. »Ich … bin … Thorgils.«
    Wieder ruckte sie an den Haaren. »Los, weiter, du Prachtkerl!«
    »Vater … ist … Leif.«
    Der Eriksohn griff sich an die Kehle, erbarmungslos säuselte seine Schwester. »Sieht der Süße nicht aus wie ein Wunder, Brüderchen?«, und zischte: »Da hast du uns ja was Feines ins Nest gesetzt. Ja, diese Missgeburt gehört dir.«
    Leif rang nach Atem, sprang auf und wich rückwärts bis zur Wand zurück, drehte sich um und presste die Stirn gegen die Holzverkleidung.
    Zunächst war Tyrkir ihm gefolgt, doch als er feststellte, dass nicht wieder die unsichtbare Macht, sondern nur Schreck seinen Schützling überfallen hatte, blieb er stehen und sah ratlos auf Thjodhild.
    Sie kam zu ihm. »Zwar hatte ich mir eine schonendere Begegnung erhofft, aber du kennst ja dieses Mädchen. Sei es drum. Ich muss die Wahrheit erfahren. Bitte keine Einzelheiten, nur klare Antworten: Hat Leif auf den Hebriden eine Frau kennen gelernt?«
    »Ich konnte es nicht verhindern.«
    »Hat er sie geschwängert?«
    Bei der nüchternen Frage fühlte Tyrkir, wie Röte sein Gesicht überzog. »Gegen diese Thorgunna …« Er bemerkte den strengen Blick und sagte: »Ja. So ist es. Auch hat diese Frau angekündigt, das Kind nach Grönland zu schicken.«
    »Also ist mein Sohn der Vater.« Halblaut setzte sie zornig hinzu: »Warum hast du geschwiegen? Ich wäre gerne vorbereitet zur Großmutter geworden.«
    Er wollte antworten, doch sie schüttelte den Kopf. »Später. Jetzt bitte ich dich um Hilfe, nein, ich erwarte sie von dir. Leif muss dieses Kind annehmen, allein

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