Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
keuchte, und mit großer Kraftanstrengung verließ er den Sitz. Endlich stand der Hüne halb aufgerichtet vor den beiden: ein vom Sturm in der Mitte gebrochener Baum, dessen mächtige Krone am Stock gestützt wurde, dessen rechter Ast schlaff hinunterhing, als gehöre er nicht mehr zu ihm.
Da Erik nichts sagte, stieß Tyrkir dem jungen Schiffsführer unmerklich in die Seite.
Leif nahm Haltung an und meldete, wie es der Brauch verlangte: »Unsere Fahrt war vom Glück begleitet. Wir haben keine Verluste an Männern zu beklagen. Dein Sohn kommt vom Rand der Welt zurück und bringt dir ein neues, fruchtbares Land. Es wird unserer Familie zu Ehre und Ruhm gereichen.«
»Sei willkommen, Sohn, im Namen …« Er hüstelte und fuhr zögernd fort: »Ja, im Namen des großen Gottes Thor. Willkommen unter dem Dach deines Vaters.« Der Husten wurde stärker, Schmerz kämpfte im grauen, bartverwilderten Gesicht und endlich gewann wieder das Lächeln. »Ich bin stolz auf dich, weil du wie dein Vater eine neue Küste entdeckt hast. Sag den Namen!«
»Drei fremde Strände haben wir betreten, doch nur einer von ihnen lohnt erwähnt zu werden. Ich taufte die Gegend: Vinland.«
»Sehr einfallsreich.« Erik sah spöttisch auf den Freund. »Sicher hast du bei der Idee nachgeholfen, Schlaukopf.«
»Dein Sohn war nicht so eitel wie du«, zahlte Tyrkir gleich zurück. »Dort auf der anderen Seite des Meeres gib es nicht einen Leifhügel, keinen Leiffjord.« Wenigstens können wir noch zanken, dachte er bekümmert und stellte fest, dass er zum ersten Mal nicht nach oben schauen musste, wenn sie miteinander sprachen. »Außerdem wirst du bald schmecken, warum das Land diesen Namen zu Recht verdient.«
»Jetzt weiß ich, dass du wieder da bist.« Erik schloss die Lider, als er sie wieder öffnete, war sein Blick müde und verloren. »Ich habe gewartet, Schlaukopf«, murmelte er. »Nur auf dich gewartet.«
Sofort nahm der Ton an Festigkeit zu. »Leif, eure rechtzeitige Rückkehr befreit mich von einer großen Sorge. Nach dem Sturz bin ich ein Krüppel geblieben. Kein Gode kann in diesem Zustand vor einer Versammlung der freien Männer sprechen. Deshalb sollst du für mich im Juni den Thing meines Grönlands leiten.«
»Vater, du wirst …«
»Nein, sag nichts, ich hatte lange Zeit genug, darüber nachzudenken. Es ist mein fester Wille.« Erneut schüttelte ihn Husten. »Und jetzt muss ich mich ausruhen.« Damit wandte er sich um und ging bedächtig Schritt für Schritt, den mächtigen Oberkörper am Stab gestützt, zur Schlafkammer hinüber.
Leif standen Tränen in den Augenwinkeln. Heftig wischte Tyrkir sich mit dem Handrücken übers Gesicht. »Mein stolzer, starker Freund«, flüsterte er.
Leise war Thjodhild zu ihnen getreten. »Auch wenn euch der Anblick erschreckt, ihr dürft Erik nicht offen bedauern. Jedes Mitleid lehnt er ab. Und der Zustand seines Körpers ist längst nicht mehr so schlimm, wie er war. Gegen die Schmerzen gebe ich ihm täglich in Kräutertee aufgelöstes Pulver der Weidenrinde.«
»Aber, Mutter, ich sehe doch, wie er leidet!«
Sie berührte den Arm ihres Ältesten. »Ich bin nicht blind. Erst wenn dein Vater sich abgefunden hat, wird sein Gemüt wieder gesund. Glaub mir, nichts sehne ich mehr herbei, auch für alle, die hier mit ihm leben müssen. Doch um ihn aus dem inneren Gefängnis zu befreien, gibt es keinen Heilsaft. Diese Kraft muss er selbst aufbringen. Er hat so viel Großes geleistet in seinem Leben. Jetzt könnte er zufrieden vor dem Haus sitzen und mit dem Kleinen spielen …« Sofort brach sie ab und lachte. »Ach, was rede ich.« Ein schneller Blick zur Tochter. Freydis kicherte in sich hinein und hörte erst auf, als die Mutter ihr heimlich bittende Zeichen gab.
»Euch zu Ehren wird es am Abend ein Festessen geben«, wandte sich Thjodhild erneut an die Männer. »Bis dahin habt ihr Zeit, euch von dem strengen Reisegeruch zu befreien, auch würde ich mich freuen, wenn aus Haar und Bart keine Dreckklumpen oder Ungeziefer in die Schüssel fallen. Von heute an werden die Speisen wieder in meiner Küche gewürzt.«
Grinsend verzogen sich die Heimkehrer nach draußen. Schon war Freydis hinter ihnen her, indes die Mutter hielt sie zurück. »Du bleibst an meiner Seite. Ich bestimme den Zeitpunkt, bitte richte dich danach!«
Der Schein von zahlreichen Öllampen tauchte die Halle in ein warmes, gelbes Licht. Erik hatte sich nicht von seiner Frau bewegen lassen, an der Feier teilzunehmen, er
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