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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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schon aus Christenpflicht.«
    Sofort willigte Tyrkir ein und beide gingen zu ihm hinüber. Nur kurz dauerte das Gespräch, es bedurfte nicht einmal großer Überzeugungskunst und Thjodhilds Miene glättete sich. »Dass du ein Land entdeckt hast, freut mich. Dass du diesem armen Wurm aber deinen Schutz geben willst, das erfüllt mich mit Stolz.«
    Und Tyrkir dachte, vielleicht hat er doch etwas von mir.
    Leif kehrte zum Tisch zurück, beide Hände streckte er Thorgils hin. »Komm!«
    Vertrauensvoll tappte der Junge in seine Arme. »Vater … ist … Leif.«
    »Ja, du hast ihn gefunden.« Feierlich hob er das Körperchen an und hielt es hoch über seinen Kopf. »Durch die Taufe gehörst du schon zur Gemeinschaft der Christen. Heute aber sollst du auch nach Sitte unserer Väter angenommen werden: Thorgils, ich erkenne dich als mein Fleisch und Blut. Großer Gott, vor dir schwöre ich, dass dieser Sohn von nun an ein vollwertiges Mitglied unserer Familie sein wird.«
    Thorgils wedelte mit den dünnen Ärmchen, das Spiel gefiel ihm und er lachte wie ein blökendes Lamm.
    Kaum hatte ihn der Vater abgesetzt, als Freydis den Bruder herumriss. »Du elender Weichling!« Ihre Lippen bebten. »Was hast du getan? Genügt es nicht, dass diese Missgeburt uns monatelang die Luft verpestet hat? Glaubst du, ich hätte ihn angefüttert, damit er für immer zu uns gehört?«
    Thjodhild wollte dazwischenfahren, doch Tyrkir hielt sie zurück.
    Ruhig blickte Leif in das aufgelöste Gesicht. »Gewöhne dich daran, Schwesterchen. Diesem Kind wird es bei uns wohl ergehen.«
    In ihren Augen flackerte das seltsame Licht auf, schnell erlosch es und sie lächelte mit einem Male wieder sanft. »Wie du befiehlst, großer Bruder.« Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und tänzelte am Langfeuer vorbei, ließ neben dem Ausgang ihre Hand über die Axtschäfte streichen, spielte mit dem Federbüschel der Pfeile und huschte hinaus.
    »Sie wird sich beruhigen«, seufzte Thjodhild und bat eine Magd, den kleinen Thorgils wieder zurück ins Frauenhaus zu bringen.
    Die gute Stimmung war verdorben. Weil der Bruder sich abfällig über seine Künste als Schiffsführer geäußert hatte, zog sich Thorvald gekränkt zurück und Thorstein folgte ihm.
    »Du solltest ihm eine Chance geben«, ermahnte die Mutter. »Auch er hat längst das Mannesalter erreicht. Und solch ein geheimnisvolles Land weckt nun Mal die Lust nach Abenteuer.«
    »Thorvald hat sich zu gedulden.« Leif nahm wieder den Platz des Vaters ein. »Zunächst müssen wir mit dem Falken die Ladung des verunglückten Knorrs draußen auf der Schäre bergen. Das bin ich dem Gesandten schuldig.«
    Mit Bewunderung für ihren Ältesten vernahm sie von der Rettung der Schiffbrüchigen. »Leif der Glückliche«, wiederholte sie leise. »Dieser Name soll dich kleiden wie ein Festgewand, mein Junge.«
    Indes ihre Sorge wuchs, als sie von der Aufgabe des Gesandten hörte. »Pater Ernestus hat großen Zulauf. Fast alle Familien am Fjord haben sich inzwischen taufen lassen. Unsere Kirche fasst sonntags die Gläubigen kaum. Der Königsbote könnte mit guten Nachrichten wieder abfahren. Wenn nicht ausgerechnet der oberste Gode Grönlands sich dem Christentum verweigern würde.« Sie blickte den Freund an. »Dieser Starrkopf. Mag auch der Rücken krumm sein; zu den Göttern in Walhall steht er unerschütterlich wie eine Basaltsäule im reißenden Strom.«
    »Und ich kann es ihm beinahe nicht verübeln.« Nachdenklich rieb Tyrkir die Narbe. »Um ihn herum hat sich die Welt verändert. Dann brach der Sturz nicht nur den Körper, sondern auch seine Seele. Vielleicht gibt ihm das Beharren auf den alten Werten noch etwas Kraft. Dürfen wir Erik diesen Halt nehmen? Ich kann es nicht.« Er lächelte dünn. »Was aber den Spion der norwegischen Könige betrifft: Ich glaube, wir haben nichts zu befürchten. Ohne es zu wissen, hat Erik selbst die Lösung gefunden. Denn Leif wird den Thing der freien Männer eröffnen. Und der Gesandte darf sich getrost vom Fortschritt des Christenglaubens überzeugen.« Langsam zog er ein Öllicht näher und schirmte es mit der Hand. »Weil wir derweil unseren geliebten Heiden vor ihm verbergen.«
    Wie jeden Morgen galt Thjodhilds erste Sorge dem Enkelkind. Doch sein Bett im Schlafraum war leer. Sie fragte eine der beiden alten Sklavinnen, die sie für die Pflege des Kleinen ausgesucht hatte.
    »Deine Tochter hat ihn bei Sonnenaufgang selbst geweckt«, antwortete die Magd. Das Wetter sei

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