Erik der Wikinger
worden sein, und er zitterte bei diesem Gedanken. Er stand neben dem Feuer, und Gudruda, die ihn vom Schatten des Hohesitzes aus beobachtete, sah das schwache Licht auf seinem goldenen Helm, und ihren Lippen entrang sich ein Seufzer der Freude. Erik hörte ihn und fuhr herum, und dabei fiel ein teeriges Treibholzscheit ins Feuer und loderte hell auf. Dann sah er sie. Dort, auf dem geschnitzten Hohesitz, ganz in jungfräuliches Weiß gekleidet, saß Gudruda die Schöne, seine Liebste. Ihr goldblondes Haar umspielte ihre Brüste, ihre weißen Arme streckten sich ihm entgegen, und auf ihrem süßen Gesicht strahlte ein Glanz der Liebe, den er noch nie gesehen hatte.
»Erik!« flüsterte sie leise, und der Odem ihrer Stimme floß durch die leere Halle, deren Wandbekleidung von allen Seiten zu antworten schien. »Erik.«
Langsam ging er zu ihr. Er sah nichts außer der Pracht von Gudrudas Gesicht und dem Licht, das auf ihr Haar fiel; er hörte nichts außer dem Seufzen ihres Atems; er dachte an nichts – außer daran, daß vor ihm seine schöne Braut saß, die er nach so vielen Jahren für sich gewonnen hatte.
Nun hatte er den Hohesitz erklettert, und nun saßen sie beide dort, hielten sich in den Armen und sahen sich in die Augen. Und die Luft der großen Halle umtoste sie wie ein prachtvolles Meer, und süße Stimmen flüsterten in ihren Ohren. Nun lächelte Freyja auf sie herab und führte sie durch ihre Tore der Liebe, und sie waren froh, geboren zu sein.
Und so verlief ihre Hochzeit.
Nun weiß die Geschichte zu erzählen, daß Swanhild im Haus auf dem Kaltrücken mit Gizur, Ospakars Sohn, sprach.
»Ich bin dieses langweiligen Spiels müde«, sagte sie. »Wir haben viele Wochen hier verharrt, und Atlis Blut schreit immer noch nach Rache, und das Blut des Schwarzen Ospakar, deines Vaters, schreit ebenfalls nach Rache, und das Blut vieler anderer, die durch Eriks Hand gestorben sind.«
»Ich bin es auch müde«, sagte Gizur, »und ich werde im Norden sehr gebraucht. Ich sage dir, Swanhild, hättest du nicht so nachdrücklich verlangt, daß Erik sterben muß, bevor du mich heiratest, ich wäre schon längst zum Schweinsberg zurückgekehrt und hätte dort gewartet, bis Hellauge mir in die Hand gefallen wäre.«
»Ich werde dich niemals heiraten, Gizur, solange Erik nicht tot ist«, sagte Swanhild heftig.
»Wie sollen wir ihn also in unsere Gewalt bekommen?« gab er zurück. »Wir können diesen Bergpfad nicht erklimmen, denn zwei Mann können ihn gegen unsere gesamte Streitmacht verteidigen, und die Leute schätzen es nicht, Erik und Skallagrim auf einem schmalen Pfad gegenüberzustehen.«
»Man hat diesen Ort nicht gut genug bewacht«, sagte Swanhild. »Ich bin mir sicher, daß Erik auf dem Middalhof war und Gudruda, meine Halbschwester, getroffen hat. Sie ist schamlos – hält sie doch noch immer zu dem, der ihren Bruder und meinen Mann getötet hat. Der Tod sollte ihr Lohn sein, und ich bin versucht, sie eigenhändig zu erschlagen, weil sie Schande über unser Blut gebracht hat.«
»Dies ist eine Tat, die du allein vollbringen mußt«, sagte Gizur, »denn ich werde dir nicht helfen, diese schöne Maid zu töten – ich nicht und niemand sonst, der auf Island lebt!«
Swanhild bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick. »Höre, Gizur«, sagte sie. »Gudruda rüstet ein Schiff aus, um mit Waren nach Schottland zu segeln und von dort eine Fracht zurückzubringen, bevor der Winter kommt. Dies kommt mir seltsam vor, denn nie zuvor hat Gudruda ihre Gedanken dem Handel zugewandt. Ich glaube, sie hat im Sinn, mit dem Geächteten Erik von Island fortzusegeln, um sich in einem anderen Land eine Heimat zu suchen, und dies werde ich nicht dulden.«
»Dies könnte schon sein«, sagte Gizur, »und mir sollte es nicht leid tun, nichts mehr von Hellauge hören zu müssen, denn ich glaube, es werden noch mehr Männer von seiner Hand sterben, bevor er starr in seinem Hügelgrab liegt.«
»Du hast das Herz eines Feiglings, Sohn des Ospakar!« sagte Swanhild. »Du sagst, du liebst mich und möchtest mich zur Frau nehmen. Ich sage dir, es gibt nur einen Weg in meine Arme, und der führt über Eriks Leichnam. Ich rate dir, den Großteil unserer Männer auszuschicken, um Gudrudas Schiff zu bewachen und es zu entern und zu durchsuchen, wenn es den Anker lichtet, denn es ist schon bereit, in See zu stechen. Auch habe ich unter den Leuten hier einen Burschen, der in der Nähe des Hekla geboren wurde, und er hat geschworen,
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