Erik der Wikinger
noch größere wirst du vollbringen; doch nur als Echos werden sie an meine Ohren dringen. Du wirst für mich sein wie ein Toter, denn Gudruda wird dir den Harnisch binden, wenn du in den Krieg ziehst, und sie wird dir diesen Helm mit den Schwingen vom Kopfe nehmen, wenn du zurückkehrst, müde vom Kampf und siegreich.«
Dann hielt Swanhild inne und rang vor Traurigkeit nach Luft. Und sie fuhr fort:
»So lebe denn wohl; zweifellos ermüde ich dich, und – Gudruda wartet. Nein, sieh nicht auf meine törichten Tränen; sie entstammen meinem Erbe als Frau, eine jede ist sich ihrer gewiß! Solange ich lebe, Erik, wird Morgen für Morgen der Gedanke an dich zu mir kommen, um mich zu wecken, wie die Sonne jenen schneebedeckten Gipfel weckt, und Nacht für Nacht wird die Erinnerung vergehen, wie sie am Abend aus den Tälern weicht, nur um in Träumen wieder zu dämmern. Denn dich, Erik, heirate ich heute – im Herzen bin ich deine Braut, deine und nur deine. Wann wirst du eine Frau finden, die dich so liebhat wie Swanhild, die du einst kanntest? So lebe denn wohl! Ja, diesmal sollst du meine Tränen fortküssen; danach sollen sie für immer fließen. So, Erik! Und so! Und so nehme ich Abschied von dir.«
Und dann warf sie sich an seinen Hals und sah ihn mit großen, feuchten Augen an, bis ihm sehr seltsam zumute wurde und er sie küssen mußte, wenn auch nur ihrer Liebe und zarten Schönheit willen. Und so küßte er sie, und der Zufall wollte es, daß Gudruda über den Pfad kam, um ihren Liebsten zu begrüßen, als sie sich so umarmten. Sie sah die beiden und blieb erstaunt stehen. Dann wandte sie sich ab und floh, indem sie die Hände an den Kopf preßte, schnell zu dem Schuppen zurück, wo sie wartete, wobei großer Zorn in ihrem Herzen brannte; denn es war Gudrudas Schwäche, sehr eifersüchtig zu sein.
Doch Erik und Swanhild bemerkten sie nicht, schließlich trennten sie sich, und Swanhild wischte sich die Augen und huschte von dannen.
Als sie an dem Schuppen vorbeikam, fand sie die wartende Gudruda.
»Wo bist du gewesen, Swanhild?« fragte sie.
»Mich von Hellauge verabschieden, Gudruda.«
»Dann bist du töricht, denn zweifellos hat er dich abgewiesen.«
»Nein, Gudruda, er hat mich angehört. Hör mir zu, Schwester. Belästige mich nicht, sage ich, denn ich gehe meine Wege und du die deinen. Du bist stark und schön, und bislang hast du mich besiegt. Aber auch ich bin schön, und wenn ich weiß, wo ich zuschlagen muß, kann auch ich eine gewisse Stärke zeigen. Bete du, daß es dazu nicht kommt, Gudruda. Nun ist Erik dein. Vielleicht ist er eines Tages mein. Dies liegt im Schoß der Nornen.«
»Schöne Worte von Atlis Braut«, spottete Gudruda.
»Ay, Atlis Braut, aber niemals Atlis Liebe«, sagte Swanhild und ging weiter.
Nach einer Weile ritt Erik heran. Er war schamesrot und betroffen im Herzen, da er Swanhilds Schönheit anheimgefallen war und ihre zärtlichen Worte ihn aufgetaut und verführt hatten, sie zu küssen. Dann sah er Gudruda, und bei ihrem Anblick wichen alle Gedanken an Swanhild von ihm, denn er liebte Gudruda, und nur sie allein. Er saß ab und lief zu ihr. Aber sie stand stocksteif da, die dunklen Augen blitzend, den Zorn noch im Gesicht.
Dennoch hätte er sie begrüßt, wie Liebende es tun; doch sie hob die Hand und winkte ihn zurück. Furcht ergriff ihn.
»Was ist, Gudruda?« fragte er zögernd.
»Was ist, Erik?« gab sie ohne Zögern zurück. »Hast du Swanhild gesehen?«
»Ja, ich habe Swanhild gesehen. Sie kam, um mir Lebwohl zu wünschen. Was ist dabei?«
»Was dabei ist? Warum hast du dich ›so! und so! und so!‹ von Atlis Braut verabschiedet? Ay, ›so und so‹, engumschlungen, die Lippen aufeinander? Warm und weich war dein Abschiedskuß für die, die mich töten wollte, Hellauge!«
»Gudruda, du sprichst die Wahrheit, obwohl ich nicht weiß, wie du es gesehen hast. Denk dir nichts Böses dabei, und strafe mich nicht mit Worten, denn ihre Trauer und die Musik ihrer Worte haben mich in der Tat dahinschmelzen lassen.«
»Du solltest dich schämen, so von ihr zu sprechen, wo du mich nun in den Armen hältst. Durch die Trauer und die Musik der Worte jener, die mich ermordet hätte, hast du dich verleiten lassen, Erik. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Weißt du, was ich dir eigentlich sagen wollte? Dies: ›Geh von dannen und triff mich nie mehr‹, denn ich habe kein Verlangen, einem Schwächling treu zu bleiben, der sich vom ersten Hauch der Verlockung einer
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