Erik der Wikinger
Gesicht dieses Burschen«, gab Skallagrim zurück. »Doch ich kann nicht mehr kämpfen, und deine Stärke ist erschöpft. So scheint es mir, daß wir uns ergeben müssen, wenn wir weiterleben wollen. Sie können kaum so niederträchtig sein, uns zu ermorden, nachdem sie uns Frieden geschworen haben.«
»Dessen bin ich mir nicht so sicher«, sagte Erik. »Doch verhungernde Bettler müssen an Knochen nagen. So hört: Wir nehmen im Vertrauen auf eure Ehre die Bedingungen an. Aber ich sage euch, euch erwartet Schande und Tod, wenn ihr von ihnen ablaßt, um uns Schaden zuzufügen.«
»Hab keine Angst, Herr«, sagte der Maat. »Wir sind ehrliche Männer.«
»Das werden wir aus euren Taten erfahren«, sagte Erik und legte Schwert und Schild nieder.
Skallagrim folgte seinem Beispiel, wenn auch mit keiner guten Miene. Dann kamen Männer mit starken Seilen und fesselten ihnen Hände und Füße, wobei sie sie so respektvoll behandelten wie Jäger einen lebendigen Bären in einem Netz. Dann führte man sie zum Bug.
Dabei schaute Erik auf. Etwa zwanzig Achtelmeilen entfernt segelte die Gudruda neben ihnen.
»Das nenne ich gute Kameradschaft«, sagte Skallagrim. »Uns hier in der Falle sitzen zu lassen!«
»Nein«, gab Erik zurück. »Bei solch schwerem Seegang können sie nicht wenden, und zweifellos halten sie uns auch für tot. Dennoch – sollten Hall und ich uns einst wieder gegenüberstehen, werde ich Mühe haben, mich im Zaum zu halten.«
»Ich werde dies gar nicht erst versuchen«, grollte Skallagrim.
Nun hatten sie den Bug erreicht, und dort befand sich ein Unterdeck, das sie betreten mußten. Vor Wind und Wasser geschützt, befand sich dort ein starker Eisenring, an den die Männer sie mit Tauen fesselten, so daß sie sich kaum bewegen konnten. Man stellte ihre Helme und Waffen dahinter auf, so daß sie sie nicht erreichen konnten. Dann legte man ihnen Umhänge über die Schultern und brachte ihnen Essen und Trinken, was sie sehr nötig hatten, und behandelte sie auf jede erdenkliche Art zuvorkommend. Aber alldem vertraute Skallagrim nicht ganz.
»Wir hängen am Haken, Herr«, sagte er, »und sie lassen uns gewähren. Früher oder später werden sie die Angelschnur jedoch straff ziehen.«
»Das Böse kommt von allein früh genug«, gab Erik zurück. »Wir brauchen ihm nicht entgegenzueilen, um es willkommen zu heißen.« Und er dachte an Gudruda und die Taten, die sie heute vollbracht hatten, bis er schließlich einschlief, denn er war sehr müde.
Nun geschah es, daß Erik im Schlaf einen Traum hatte, der so eindringlich und seltsam war, daß er in ihm zu leben schien. Ihm träumte, er schliefe unter dem Deck der Rabe, und eine Ratte käme, um ihm Zaubersprüche ins Ohr zu flüstern. Dann träumte ihm, Swanhild schreite über das stürmische Meer auf ihn zu. Er sah sie in der Ferne, und sie kam schnell näher, und das Meer wurde vor ihren Füßen ruhig, und der Sturm brachte nicht einmal ihr Haar durcheinander. Schließlich stand sie neben ihm auf dem Schiff, beugte sich über ihn, berührte ihn an der Schulter und sagte:
»Erwache, Erik Hellauge! Erwache! Erwache!«
Es kam ihm vor, als würde er wirklich erwachen und sagen: »Was für Neuigkeiten, Swanhild?« Und sie antwortete:
»Schlechte Neuigkeiten, Erik – so schlechte, daß ich von Straumey komme, um sie dir zu überbringen – ay, über das Meer gewandelt komme. Glaubst du, daß Gudruda das auch getan hätte?«
»Gudruda ist keine Hexe«, sagte er in seinem Traum.
»Nein, aber ich bin eine Hexe, Erik, und dies kommt dir nur zugute. Ay, ich bin eine Hexe. Scheinbar schlafe ich an Atlis Seite, doch siehe, hier stehe ich neben dir, und ich muß viele Seemeilen zurücklaufen, bevor ein neuer Tag geboren wird – ay, viele Seemeilen, und alles aus Liebe zu dir, Erik! Höre, denn lange kann ich den Bann nicht aufrechterhalten. Ich habe durch meine Zauberei gesehen, daß die Männer, die dich gefesselt haben, in diesem Augenblick zu dir hinabsteigen, um dich, der du schläfst, und deinen Leibeigenen in die Tiefe zu werfen, damit du dort ertrinkst.«
»Wenn das Schicksal es will, wird es geschehen«, sagte er in seinem Traum.
»Nein, es wird nicht geschehen. Nimm all deine Kraft zusammen und sprenge die Fesseln. Dann ergreife Weißfeuer; durchtrenne Skallagrims Fesseln, und gib ihm Axt und Schild. Danach bedeckt ihr euch mit euren Umhängen und wartet, bis ihr die Mörder kommen hört. Dann erhebt euch und fallt über sie her, und sie werden vor
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