Erik der Wikinger
Groa hat es mir geliehen. Ich nahm es von dort, wo sie liegt; und meine Krötenhaut zog ich deinem verderbten Herzen ab, Swanhild, und viel schrecklicher, als ich jetzt bin, wirst du eines Tages sein, so wie ich einst viel schöner war, als du es jetzt bist.«
Swanhild öffnete den Mund, um zu schreien, aber kein Ton kam über ihre Lippen.
»Troll«, flüsterte sie, »verspotte mich nicht mit Lügen, sondern höre mein Begehr: Wo segelt Erik jetzt?«
»Schau in die Nacht hinaus, Herrin, und du wirst es sehen.«
Swanhild tat wie geheißen, und die Abgründe der Dunkelheit taten sich auf vor ihrer Hexensicht. Dort, vor der Mündung der Pentland-Förde, schlingerte die Gudruda schwer in stürmischer See, und neben der Ruderpinne stand Erik und neben ihm Skallagrim.
»Siehst du deinen Geliebten?« fragte der Schutzgeist.
»Ja«, gab sie zurück, »klar und deutlich. Wind und Wetter haben ihn erschöpft, aber er ist stattlicher als je zuvor, und sein Haar ist lang. Sag, was würde ihm zustoßen, wenn du ihm nicht zu Hilfe eiltest?«
»Nichts; er würde sicher den Fjord passieren, denn der Nebel legt sich. Er würde sicher zu den Färöern kommen, und von dort aus in Gudrudas Arme.«
»Und was kannst du tun, Kobold?«
»Dies: Ich kann Eriks Schiff auf Grund laufen lassen, all seine Gefährten außer Skallagrim in Rans Netz bringen und ihn selbst in deine Arme, Swanhild, Hexenkind der Hexenmutter!«
Sie überlegte. Ihre Brust hob sich, und ihre Augen blitzten.
»Und den Preis, Kröte?«
»Du bist der Preis, Herrin«, pfiff der Kobold. »Du wirst dich mir ausliefern, wenn deine Tage gezählt sind, und frohgemut werden wir in Hels Hallen kauern, und auf ewig frohgemut werden wir des Nachts die Erde heimsuchen und Dinge tun, wie du sie jetzt von mir verlangst, Swanhild, und mit unserem Hexenwerk werden wir Leid bringen, bis es schließlich über uns gebracht wird. Bist du einverstanden?«
Swanhild dachte nach. Zweimal öffnete sich ihr Mund, doch nur Seufzer drangen über ihre Lippen. Dann erhob sie sich bleich und stumm.
»Sicher wird er in den Fjord segeln«, pfiff die dünne Stimme. »Sicher wird er auf den Färöern sitzen. Sicher wird er in Gudrudas weißen Armen liegen – hihi! hihi! Denke daran, Herrin!«
Da erzitterte Swanhild wie eine Birke im Sturm, und ihr Gesicht wurde aschgrau.
»Ich bin einverstanden«, sagte sie.
»Hihi! Hihi! Die tapfere Herrin! Sie ist einverstanden! Ah, wir Schwestern werden Spaß haben. Höre: Wenn ich dir nun helfe, ist es zum letzten Mal. Dreimal ist die Nachteule deinem Ruf gefolgt – nun muß sie fliegen. Doch es wird geschehen, wie ich es gesagt habe; deine Weisheit wird für den Rest sorgen. Vor dem Morgen wird Hellauge in Atlis Halle stehen, vor dem Frühling wird er dein Geliebter sein, und vor dem Herbst wird Gudruda in Middalshof Halle als Ospakars Braut auf dem Thron sitzen. Komm näher und gib mir deinen Arm, Schwester, damit Blut unseren Handel besiegelt.«
Swanhild trat zur Kröte und streckte schaudernd den Arm aus, und dann rann da und dort das rote Blut, und ihre Schwesternschaft war besiegelt. Und als die abscheuliche Tat getan war, schien es Swanhild, als würde Feuer durch ihre Adern schießen, und Feuer schoß vor ihren Augen empor, und in dem Feuer verging weinend eine Gestalt.
»Es ist vollbracht, Blutschwester«, pfiff die Stimme. »Und nun muß ich in deiner Gestalt aufbrechen, um die Aufgabe zu erledigen. Setz dich hier vor mich – so. Nun lege deine Stirn auf die meine – fürchte dich nicht, es war die deiner Mutter! Leben auf Tod! Wellige Locken auf Leichenhaar! Sieh, so verändern wir uns … wir verändern uns. Nun bist du die Todeskröte – und ich bin Swanhild, Atlis Weib, die Eriks Geliebte werden wird.«
Da wußte Swanhild, daß ihre Schönheit in die Verderbtheit der Kröte eingedrungen war, und die Verderbtheit der Kröte in ihre Schönheit, denn vor ihr stand nun ihre eigene Gestalt, und sie krümmte sich als Kröte auf dem Fußboden.
»Fort zur Arbeit, fort!« sagte eine leise, tiefe Stimme, ihre eigene Stimme, die aus dem Körper sprach, der vor ihr stand, und siehe da, schon war er verschwunden.
Aber Swanhild krümmte sich in Gestalt der Kröte mit dem Hexenkopf auf dem Boden ihres Frauengemachs in Atlis Halle. Sie spürte Verderbtheit, böse Gelüste und Haß in ihrem Herzen brodeln. Sie sah sich mit ihren eingefallenen, hornigen Augen um und nahm seltsame Anblicke wahr. Sie sah Atli, ihren Herrn, tot auf dem Gras
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