Erik der Wikinger
schritt, um sich davon zu überzeugen, daß alles in Ordnung war, trat Groa an ihn heran und berührte sanft seine Schulter.
»Plagen dich schwere Gedanken, Herr?« fragte sie.
»Ja, Groa«, gab er zurück, »aber ich fürchte, sie gehen eher mich als dich etwas an.«
»Fürchte nichts, Herr; dein Wille ist auch der meine.«
»Sag, Groa, ist es dein Wunsch, hier auf Middalhof zu bleiben, wenn Unna mein Hausweib ist?«
»Es ist mein Wunsch, dir so zu dienen wie zuvor«, gab sie weise zurück, »falls Unna es auch will.«
»Das ist ihr Wunsch«, sagte Asmund und ging seiner Wege.
Aber Groa sah ihm nach, und ihr Gesicht war wütend und böse.
»Solange der Tod noch Bedeutung, die Runen noch Macht haben und meine Hand noch Kraft hat, so lange wirst du, Unna, niemals meinen Platz an Asmunds Seite einnehmen! Aus dem Wasser bin ich zu dir gekommen, Asmund; ins Wasser werde ich wieder gehen. Unruhig werde ich dort liegen; unruhig werde ich durch Hels Hallen ziehen; aber Unna wird an Asmunds Seite ruhen – in Asmunds Hügelgrab!«
Dann eilte sie wieder in die Halle und bereitete alles fürs Fest vor. Aber als um Mitternacht das Licht niedrig brannte und das Volk schlief, erhob sich Groa und glitt, in einen schwarzen Umhang gekleidet und mit einem Korb in der Hand, wie ein Schatten auf die Wiese hinaus. Dort tauchte sie im Nebel unter, der über dem Flußufer hing, und pflückte leise, immer wieder über die Schulter zurückschauend, als fürchte sie einen verborgenen Feind, die Blüten der giftigen Pflanzen, die im Moor wachsen. Mit gefülltem Korb schlich sie an Atlis Haus vorbei zu einem versteckten Tal in den Bergen. Hier wartete ein Mann auf sie, und neben ihm brannte ein Torffeuer. In der Hand hielt er einen Eisentopf. Es war Koll der Halbgescheite, Groas Leibeigener.
»Ist alles bereit, Koll?« fragte sie.
»Ja«, gab er zurück, »aber mir gefällt die Aufgabe nicht, die du mir erteilt hast, Herrin. Sag nun, was willst du mit dem Feuer und dem Topf?«
»Nun gut, Koll. Ich will einen Liebestrank für Asmund den Priester brauen; er hat mich darum gebeten.«
»Ich habe schon viele schlechte Taten für dich ausgeführt, Herrin, aber von allen gefällt mir diese am wenigsten«, sagte der Knecht zweifelnd.
»Und ich habe schon viel Gutes für dich getan, Koll. Ich war es, die dich vor dem Stein des Verderbens gerettet hat, indem ich deine scheinbare Unschuld bewies – ay, du lagst schon mit dem Rücken darauf, denn du hattest einen Mann im Schlaf erschlagen. Ist dem nicht so?«
»Ja, Herrin.«
»Du warst also schuldig, Koll. Und ich habe dir viele gute Geschenke gemacht – ist dem nicht so?«
»Ja, dem ist so.«
»Dann höre – diene mir noch dieses eine Mal, und ich werde dir ein letztes Geschenk machen – deine Freiheit, und mit ihr zweihundert Silberstücke.«
Kolls Augen funkelten. »Was soll ich tun, Herrin?«
»Beim Hochzeitsfest heute wird es deine Aufgabe sein, die Becher vollzugießen, während Asmund die Trinksprüche vorbringt. Wenn alle Männer betrunken sind, nimmst du den Becher, mit dem Asmund verspricht, Unna zur Frau zu nehmen, während sie gelobt, ihn als Mann anzuerkennen. Wenn du eingeschenkt hast, reichst du mir den Becher; ich stehe am Fuß des Throns und werde die Braut im Namen der Dienstboten des Haushalts begrüßen. Du wirst mir den Becher so geben, als hättest du dich geirrt. Es ist nur ein kleiner Gefallen, um den ich dich bitte.«
»In der Tat, ein kleiner Gefallen«, sagte Koll, sah sie an und fuhr sich mit der Hand über sein rotes Haar. »Und doch gefällt er mir nicht. Was ist, wenn ich nein sage, Herrin?«
»Sag nein oder spreche darüber, und ich werde dir nur eins versprechen, Bursche: Noch bevor der Winter kommt, werden dir die Krähen das Fleisch von den Knochen picken! Widersetze dich mir, wenn du es wagst«, sagte Groa. Und augenblicklich fing sie an, Hexenworte zu murmeln.
»Nicht«, sagte Koll und hob die Hand, als wolle er einen Schlag abwehren. »Verfluche mich nicht: Ich werde tun, was du verlangst. Aber wann werde ich die zweihundert Silberstücke bekommen?«
»Ich werde dir die Hälfte geben, bevor das Fest beginnt, und die zweite Hälfte, wenn es zu Ende ist, und mit ihnen die Freiheit, dorthin zu gehen, wohin du willst. Und nun verschwinde, und siehe bei deinem Leben zu, daß du mich nicht enttäuschst.«
»Ich habe dich noch nie enttäuscht«, sagte Koll und ging seiner Wege.
Nun setzte Groa den Topf aufs Feuer, legte die Kräuter hinein,
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