Erik der Wikinger
verbeugte sich, erwiderte aber nichts.
Als sie an diesem Abend bei der Fleischtafel im Palast saßen, ging Lady Elfrida, als König Edmund sie im Scherz bat, den Becher des Tapfersten zu füllen, an der Tafel entlang und goß vor allen Augen Wein in Eriks Becher, und als sie dies tat, hieß sie ihn mit kurzen, süßen Worten erneut willkommen.
Erik wurde rot wie die Morgenröte und dankte ihr höflich; aber nach dem Fest sprach er mit Skallagrim, fragte ihn nach der Gudruda und wann sie wieder bereit sei, in See zu stechen.
»In zehn Tagen, Herr«, sagte Skallagrim, »aber bleiben wir den Winter über nicht hier beim König? Es ist zu spät, um wieder zu segeln.«
»Nein«, sagte Erik, »wir bleiben nicht hier. Ich wollte dieses Jahr auf den Färöern überwintern, um so nahe wie möglich bei Island zu sein. Im nächsten Sommer sind die drei Jahre meiner Verbannung vorbei, und ich möchte wieder heimwärts fahren.«
»Nun, ich sehe den Schatten einer Frauenhand«, sagte Skallagrim. »Es ist sehr spät, um sich jetzt noch ins Nordmeer zu wagen, und wir können im Frühling von London nach Island segeln.«
»Es ist mein Wille, jetzt zu segeln«, gab Erik zurück.
»Der Weg zu den Färöern verläuft an den Orkney-Inseln vorbei«, sagte Skallagrim, »und auf den Orkneys sitzt ein Falke, mit dem verglichen Lady Elfrida nur eine Taube ist. Beim Versuch, einem Übel zu entgehen, könnten wir einem noch schlimmeren anheimfallen.«
»Es ist mein Wille, daß wir segeln«, sagte Erik starrköpfig.
»Wie du willst, und wie der König es will«, gab Skallagrim zurück.
Am Morgen trat Erik vor den König und erbat sich eine Gunst.
»Du kannst nur wenig erbitten, Hellauge«, sagte der König, »daß ich dir nicht gern geben würde, denn bei meiner Ehr’, du bist mir sehr teuer.«
»Ich bin nicht gekommen, um etwas Großes zu erbitten, Herr«, gab Erik zurück, »sondern nur dies: Ich möchte dir Lebwohl sagen und mich heimwärts wenden.«
»Sag, Erik«, sprach der König, »habe ich dich nicht gut behandelt?«
»Gut, und mehr als gut, Herr.«
»Nun, warum willst du mich dann verlassen? Ich habe im Sinn, dich zu großer Ehre zu bringen. Denn siehe, an diesem Hof verweilt eine hübsche Lady, und in ihren Adern fließt Blut, mit dem sich zu vereinen selbst einen isländischen Wikinger mit Stolz erfüllen könnte. Sie hat große Ländereien und wird bald vielleicht noch mehr haben. Glaubst du nicht, du könntest auf ihnen ein Heim finden, Hellauge?«
»Nur auf Island bin ich zu Hause, Herr«, sagte Erik.
Da wurde der König zornig und hieß ihn zu gehen, wann immer es ihm gefiele, und Erik verbeugte sich vor ihm und ging hinaus.
Als Erik zwei Tage später in den Palastgärten spazierenging, stand er Lady Elfrida von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Sie hielt weiße Blumen in der Hand und war so schön anzusehen wie die Blumen, die sie trug.
Er begrüßte sie, und nach einer Weile sprach sie mit sanfter Stimme zu ihm: »Man sagt, du würdest England verlassen, Hellauge?«
»Ja, Lady, ich gehe«, gab er zurück.
Sie musterte ihn einmal und zweimal und brach dann in Tränen aus. »Warum kehrst du in dein kaltes Land zurück?« schluchzte sie. »In dieses verhaßte Land aus Schnee und Eis? Ist England nicht gut genug für dich?«
»Ich bin dort zu Hause, Lady, und meine Mutter wartet dort auf mich.«
»Deine Mutter wartet dort auf dich, Erik? Sag, wartet dort nicht auch eine Maid mit dem Namen Gudruda die Schöne?«
»Es gibt solch eine Maid auf Island«, sagte Erik.
»Ja, ich weiß es – ich weiß alles«, gab sie zurück, ihre Tränen trocknend, und wurde plötzlich ganz kalt und stolz: »Erik, du bist dieser Gudruda versprochen; und du bist diesem Eid zu treu, als es für dich am besten wäre. Denn höre, Erik Hellauge, ich weiß dies: Wenig Glück wird dir die Maid Gudruda bringen. Würde ich mehr sagen, bekäme es mir schlecht; dennoch ist es wahr, daß hier, in England, großer Reichtum auf dich wartet, und in Island ein Schicksal, wie es oft Männern widerfährt, die mächtige Feinde haben. Wußtest du dies?«
Erik sah sie an und gab zurück: »Lady, Männer werden nicht aus eigenem Willen geboren, sie leben und tun nur wenig aus eigenem Antrieb, sie sterben und gehen vielleicht dorthin, wohin sie besser nicht gingen. Und doch kann es einem Mann zustoßen, daß er einer begegnet, deren Hand er gern halten würde, und sei es auch nur für eine Stunde, während der Reise über ein eisiges Meer; und es
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