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Erik der Wikinger

Erik der Wikinger

Titel: Erik der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Wahrheit schon herauskommen muß – ich hatte nicht gut Kirschenessen mit Erik, und von allen Männern möchte ich mit ihm am wenigsten reden.«
    »Fahre fort«, sagte sie.
    So dazu gezwungen, erzählte Hall, wie er das Tau durchtrennt hatte, wobei er sorgsam darauf achtete, seinen Worten eine ganz bestimmte Färbung zu geben.
    »Nun, du scheinst ein Feigling zu sein, Hall«, sagte Swanhild, als er geendet hatte, »und das hatte ich von dir kaum erwartet.« Sie hatte sehr wohl durchschaut, daß er sie mit seinen Worten täuschen wollte. »Es wird dir übel ergehen, wenn du Erik und Skallagrim begegnest, und dies ist mein Rat: Gehe fort von hier, bevor sie erwachen, denn sie werden diesen Winter in Atlis Halle sitzen.«
    »Und wohin soll ich gehen, Herrin?«
    Swanhild musterte ihn, und dabei stiegen ihr finstere Gedanken im Herzen empor: Hier war ein Bursche, der ihren Zielen dienen konnte.
    »Hall«, sagte sie, »du bist Isländer, und ich kenne dich von Kind an, und daher will ich dir aus deiner Klemme helfen, obwohl du es kaum verdienst. So höre, Graf Atli hat einen Hof auf dem Festland, keine zwei Stunden Ritt von der Küste entfernt. Dorthin wirst du gehen, wenn du klug bist, und dort wirst du diesen Winter verbringen und dich vor Erik und Skallagrim verstecken. Nein, danke mir nicht, sondern höre mich an: Es kann sein, daß ich dich noch um einen Dienst bitten werde, bevor der Frühling kommt.«
    »Herrin, ich werde auf dein Wort warten«, sagte Hall.
    »Gut. Nun, sobald es hell wird, suche ich dir einen, der mit dir über den Meeresarm segelt, sobald die See sich beruhigt hat, und der Atlis Lehnsmann auf dem Hof meine Botschaft überbringt. Und wenn du Reisegeld brauchst, sollst du es haben. Lebe wohl.«
    So floh Hall also vor Erik und Skallagrim.
    Am Morgen erhoben sich Erik und Skallagrim, beide geschwächt und geschunden, aber nicht verletzt, und gingen zur Küste hinab. Dort fanden sie viele Tote ihrer Besatzung, aber keinen einzigen, in dem noch der Odem des Lebens war.
    Skallagrim sah Erik an und sagte: »Letzte Nacht kam der Nebel gegen den Wind; letzte Nacht sahen wir Swanhilds Erscheinung auf den Wellen, und dort ist der Weg, den sie zeigte. Und dort« – und er deutete auf die Toten – »ist die Blume der Hexensaat. Nun sitzen wir heute in Atlis Halle, und hier müssen wir diesen Winter an Swanhilds Seite bleiben, und in alldem liegt ein Rätsel, das ich mir nicht erklären kann.«
    Aber Erik schüttelte den Kopf und antwortete nicht. Dann wandte er sich um, Skallagrim bei den Toten zurücklassend, kehrte allein zur Halle zurück, setzte sich auf den davorliegenden Wiesen auf einen Felsen, verbarg das Gesicht in den Händen und weinte um seine Gefährten.
    Als er weinte, kam Swanhild zu ihm, denn sie hatte ihn aus der Ferne gesehen, und berührte ihn sanft am Arm.
    »Warum weinst du, Erik?« fragte sie.
    »Ich weine um die Toten, Swanhild«, gab er zurück.
    »Weine nicht um die Toten – sie haben ihren Frieden. Wenn du weinen mußt, weine um die Lebenden. Nein, weine überhaupt nicht; erfreue dich daran, daß du hier bist und trauern kannst. Hast du kein Wort des Grußes für mich, die ich deine Stimme so viele Monate lang nicht gehört habe?«
    »Wie soll ich dich begrüßen, Swanhild, der ich nie wieder dein Gesicht gesehen hätte, wenn es nach meinem Willen gegangen wäre? Weißt du, daß wir gestern nacht, als wir in jenem Meeresarm kämpften, eine Gestalt sahen, die übers Wasser schritt, um uns ins Verderben zu führen? Wie soll ich dich begrüßen, Swanhild, die du eine Hexe und böse bist?«
    »Und wußtest du, Erik, daß ich gestern nacht aus dem Schlaf erwachte, weil mir träumte, du lägest an der Küste, und daß ich dir so das Leben rettete, wie vielleicht schon zuvor? Wenn du eine Gestalt gesehen hast, die übers Wasser schritt, dann war sie es, die dich hierher geführt hat. Wärst du weitergesegelt, zählten nun nicht nur die, um die du trauerst, sondern auch Skallagrim und du zu den Verlorenen.«
    »Besser so als so«, sagte Hellauge. »Weißt du auch, Swanhild, daß ich letzte Nacht, als ich in Atlis Halle wieder zu Sinnen kam, glaubte, Atlis Frau hätte sich über mich gebeugt und mich auf die Lippen geküßt? Es war ein böser Traum, Swanhild.«
    »Einige hätten ihn nicht als so böse empfunden, Erik«, gab sie zur Antwort und musterte ihn befremdlich. »Doch es war nur ein Traum. Dir träumte, daß Atlis Weib hätte dir den Lebensodem zwischen die bleichen Lippen

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