Erik der Wikinger
zurückgelassen worden war und wie er von dort nach Schottland gelangt und in Atlis Halle auf den Orkney-Inseln verweilt hatte. Dann erzählte er, daß die Gudruda auf Straumey gestrandet war und daß von allen an Bord nur Erik und Skallagrim wegen Swanhilds Traum gerettet worden waren.
»Hier sehe ich Hexenwerk«, sagte Gudruda.
Dann erzählte Hall, Erik sei Swanhilds Geliebter geworden, aber von der anderen Geschichte, die Swanhild Atli ins Ohr geflüstert hatte, sagte er nichts. Denn er wußte, daß Gudruda das ihm nicht glauben würde; und überdies, wenn dem nicht so war, hätte Swanhild ihm nicht das Pfand gegeben, das er Gudruda überreichen sollte.
»Dem mag schon sein«, sagte Gudruda stolz, »Swanhild ist schön und von flinkem Verstand. Vielleicht hat sie Hellauge in eine Falle geführt.« Doch als sie diese Worte sprach, brannten bittere Eifersucht und Zorn in ihrer Brust, und sie erinnerte sich daran, was sie gesehen hatte, als sich Erik und Swanhild am Morgen von Atlis Hochzeit getroffen hatten.
Dann erzählte Hall, daß Erik Atli den Guten getötet hatte, aber er sagte nichts von Atlis letzten Worten, und er erwähnte auch nicht, daß Atli Hellauge mit seinen bitteren Worten zu dieser Tat verleitet hatte.
»Wahrlich, da hat Erik eine üble Tat begangen«, sagte Gudruda. »Einen alten Mann zu töten, den er betrogen hat. Aber es könnte ja sein, daß er sie nur beging, um das eigene Leben zu retten.«
Da sagte Hall, daß er Swanhild nach Atlis Tod gesehen und daß sie ihm gesagt habe, sie und Erik würden bald heiraten und Erik würde an ihrer Seite über die Orkney-Inseln herrschen.
Gudruda fragte, ob dies seine ganze Geschichte sei.
»Ja, Herrin«, gab Hall zurück, »es ist meine ganze Geschichte, denn danach bin ich losgesegelt und weiß nicht mehr, was sich ereignet hat. Aber die Herrin Swanhild hat mir aufgetragen, dir etwas zu geben. Sie bat mich, dir auch dies zu sagen: Wenn du das Geschenk siehst, sollst du an einen gewissen Eid denken, den Erik bezüglich des Schneidens seines Haars abgelegt hat.« Und er zog ein Leinenpaket aus dem Wams und gab es ihr.
Dreimal musterte Gudruda das Paket, als fürchte sie sich davor, es zu öffnen. Als sie dann das spöttische Lächeln auf Björns kaltem Gesicht sah, nahm sie die neben ihr liegende Schere und schnitt das Leinen auf. Und noch während sie schnitt, erhob sich eine goldene Haarlocke aus dem Paket und drehte sich auf wie eine lebendige Schlange. Die Locke war lang und ihre Spitzen waren mit geronnenem Blut bedeckt.
»Wessen Haar ist dies?« fragte Gudruda, obwohl sie das Haar gut kannte.
»Eriks Haar«, sagte Hall, »das Swanhild ihm mit seinem eigenen Schwert abschnitt.«
Nun legte Gudruda die Hand an die Brust. Sie zog eine kleine Ledermappe hervor und aus der Ledermappe eine blonde Haarlocke. Seite an Seite legte sie die Locken, betrachtete zuerst die eine und dann die andere.
»In der Tat, dies ist Eriks Haar«, sagte sie. »Eriks Haar, wo er mir doch geschworen hat, niemand außer mir dürfe es schneiden! Eriks Haar, das Swanhild mit Weißfeuer von seinem Kopf abtrennte – Weißfeuer, auf das wir unseren Eid geleistet haben! Doch sprich, wessen Blut ist es, das Eriks Haar befleckt?«
»Es ist Atlis Blut, den Erik zuerst entehrte und dann mit eigener Hand tötete«, gab Hall zurück.
Nun brannte ein Feuer auf dem Herd, denn der Tag war kalt. Gudruda die Schöne stand neben dem Feuer und ließ zuerst mit der einen, dann mit der anderen Hand je eine von Eriks Haarlocken auf die glühenden Kohlen fallen. Langsam rollten sie sich zusammen und verbrannten. Sie sah zu, wie sie verbrannten, warf dann die Hände in die Luft und floh mit einem lauten Aufschrei aus der Halle.
Björn und Hall von Lithtal sahen einander an.
»Du gehst besser von dannen!« sagte Björn. »Und vor einem warne ich dich, Hall. Obwohl mir deine Nachrichten gut zu stehen kommen – wenn du auch nur ein falsches Wort gesprochen hast, wird es dein Tod sein. Denn dann wäre es besser für dich, allen Wölfen Islands statt Erik in seinem Zorn gegenüberzustehen.«
Und wieder dachte Hall an Skallagrims Axt und ging betreten hinaus.
An diesem Tag kam ein Bote Gudrudas zu Björn und sagte, daß sie mit ihm zu sprechen wünsche. Er ging in ihr Gemach, wo sie allein auf dem Bett saß. Ihr Gesicht war so bleich wie der Tod, und ihre dunklen Augen glühten.
»Erik hat dir übel mitgespielt, Schwester, solch ein Leid über dich zu bringen«, sagte Björn.
»Sprich
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