Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
»Ich setze voraus, dass das Entgelt für meine Dienste hinterlegt ist, bevor ich morgen um die Mittagszeit Lourenço Marques verlasse.«
Er verbeugte sich und verließ rasch das Bordell, gefolgt von O’Neill. Die Männer am Bartresen applaudierten zufrieden. Rocha stieß A Magrinha verächtlich auf ein Sofa.
Ana verabscheute diesen Ort mehr als je zuvor.
Als sie den Automotor starten hörte, ging sie auf die Straße hinaus.
O’Neill stand da und rauchte. »Dieser Mann hat hier nichts zu suchen«, sagte er. »Es ist natürlich nicht meine Sache. Aber wenn solche Leute eingelassen werden, dauert es nicht lange, bis die anderen Kunden verschwunden sind.«
Ana antwortete nicht. Sie wusste, dass sie hineingehen und Rocha auffordern sollte, das Bordell zu verlassen. Aber stattdessen lief sie über die Straße zu einer kleinen Bar, die von zwei portugiesischen Brüdern betrieben wurde. Der eine war klein und dunkel, der andere krumm. Die Bar war eng. Ein Tresen aus Holz, ein paar Tische in den dunklen Ecken, einige Straßenhuren, die abwechselnd auf den Gehsteigen paradierten oder sich drinnen zu Drinks einladen ließen. Ana bestellte ein Glas Cognac bei dem krummen Bruder, leerte es und ließ es nachfüllen. Sie kannte eine der Frauen, die in einer Ecke stand. Sie hatte mehrmals darum gebeten, zu Ana kommen zu dürfen, war aber immer von den anderen Frauen abgewiesen worden, weil es ein Gerücht gab, sie würde stehlen. Außerdem hieß es, sie bestrafe die Kunden, die sie nicht gut behandelten, indem sie sie mit Hilfe von unbekannten Zauberkünsten vergiftete. Das Gift tötete nicht, machte die betreffenden Männer aber für lange Zeit impotent.
Als Ana sah, dass die Frau auf sie zukam, hob sie abwehrend die Hand, legte Geld auf den Tresen und kehrte auf die Straße zurück.
Der Nachthimmel war klar. Sie dachte an ihren Vater, an die Abende, als er ihr Sternbilder gezeigt hatte, und wartete, bis das Auto von Pandres Hotel zurückkam.
Kurz bevor sie einstieg, um nach Hause zu fahren, wandte sie sich an O’Neill. »Sag den Frauen, dass ich sie morgen früh um sieben Uhr sprechen will.
»Da schlafen sie.«
»Nein«, sagte Ana. »Sie sollen wach sein, gewaschen und angezogen. Ich will, dass sie sich morgen um sieben unter dem Palisanderbaum versammeln.«
»Ich werde da sein.«
»Ich will mit den Frauen sprechen, nicht mit dir. Du sollst nicht dabei sein.«
Sie schloss die Autotür. Durch das Rückfenster sah sie, dass O’Neill ihr mit einer unangezündeten Zigarette in der Hand nachschaute.
In dieser Nacht schlief Carlos wie ein haariges Knäuel neben ihr im Bett. Hin und wieder bewegte er die Arme im Schlaf, als würde er klettern. Da er nicht wimmerte, hatte er wohl keine Albträume. Wenn man davon ausging, dass Affen wie Menschen träumten. Ana war nicht sicher. Aber vielleicht hatte sich Carlos weit genug von seinem Affendasein entfernt. Sie erlebte es immer öfter, dass er tatsächlich Träume hatte, die ihn erschreckten. Ana selbst lag wach da, schlummerte vielleicht für ein Weilchen ein, bereitete aber in Gedanken das Treffen vom nächsten Morgen vor. Sie musste die Frauen jetzt um sich versammeln, da die Schwierigkeiten zunehmen würden, solange sie sich um Isabels Freilassung kümmerte. Sie wollte ihnen erzählen, dass sie nicht aufgeben würde, welche Probleme es auch mit sich bringen würde. Aber zugleich wollte sie wissen, was sie dachten. Gab es kein Verständnis für Isabels Situation? Keine Bereitschaft, ihr zu helfen?
Während der Nacht stand Ana mehrmals leise auf, um Carlos nicht zu wecken, auch wenn sie nie wusste, ob er nur so tat, als schliefe er.
Sie blätterte in ihrem abgegriffenen portugiesischen Lexikon, um die richtigen Wendungen für das zu finden, was sie am folgenden Tag ausdrücken wollte. Sie ging in der lauen Nacht hinaus auf die Veranda. Die Wächter schliefen an ihren Feuern, ein einsamer Hund lief leise auf der Straße vorüber. Vom Meer her konnte sie die glimmenden Laternen der Schiffe sehen, die auf die Flut warteten, um in der Morgendämmerung zum Kai des Hafens zu fahren.
Einmal bin auch ich gekommen, dachte sie. Mit einem zerrütteten Leben, das es zusammenzuhalten galt. Das hat mich hierhergeführt. Bald muss es mich weiterführen, auch wenn ich nicht weiß, wohin.
65
Als Ana morgens im Bordell eintraf, waren alle Frauen schon versammelt. O’Neill zeigte sich nicht. Unterwegs hatte sie ein versiegeltes Kuvert bei dem schlaftrunkenen Portier des Hotels
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