Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
Feigenbäumen nieder und schauten aufs Meer hinaus. Nach seinem höflichen Abschied vom Kommandanten hatte Pandre schweigend im Auto gesessen. Jetzt schaukelte er langsam in dem an Ketten aufgehängten Sofa, ein Glas Eiswasser in der Hand.
»Isabel ist bereit zu sterben, wenn es sein muss«, sagte er. »Sie will lieber sterben, als eine Schuld zu bekennen. Ihr Schweigen gilt ihrer Würde. Ihrer Seele. Diese Worte hat sie Mal um Mal wiederholt. ›Es geht um meine Seele.‹«
»Will sie nicht um ihrer Kinder willen überleben?«
»Natürlich will sie leben. Wenn sie könnte, würde sie fliehen. Aber wenn ihre einzige Chance darin besteht, ihre Schuld zu bekennen, will sie lieber sterben.«
Pandre schaukelte weiter, den Blick aufs Meer gerichtet. Er streckte die Hand mit dem Wasserglas aus und zeigte auf den Horizont. »Dort liegt Indien«, sagte er. »Vor dreißig Jahren sind meine Eltern von dort gekommen. Eines Tages kehren vielleicht meine Kinder zurück.«
»Warum sind Ihre Eltern nach Afrika gereist?«
»Mein Vater hat Tauben verkauft«, sagte er. »Er hat davon gehört, dass es viele weiße Menschen in Südafrika gibt, die viel Geld für schöne Tauben ausgeben. Mein Vater hat gelernt, seinen Tauben zusätzliche Schwanzfedern anzukleben, um einen höheren Preis zu erzielen.«
Pandre sah sie freundlich an. »Mein Vater war ein Betrüger«, sagte er. »Das ist vermutlich der Grund, warum ich Rechtsanwalt geworden bin.«
Er stellte das Wasserglas ab.
»Ich kann Ihnen kaum einen Rat geben«, fuhr er fort. »Eine Rettung ist nur möglich, wenn es ihr gelingt zu fliehen. Vielleicht kann man den Kommandanten bestechen? Vielleicht kann man einen Soldaten dazu bringen, eines Abends ihre Tür offen zu lassen? Einen anderen Rat kann ich Ihnen nicht geben. Aber da Sie Geld besitzen, haben Sie Zugang zu dem Instrument, das sie retten kann. Wie Sie es in diesem Fall auf die beste Art einsetzen, weiß ich nicht.«
»Ich tue alles, was möglich ist.«
»Das ist es wohl, was ich Ihnen rate. Alles zu tun, was möglich ist.«
Pandre zog einen Umschlag aus der Innentasche und reichte ihn ihr. »Das ist meine Rechnung«, sagte er. »Heute Abend habe ich vor, Ihre Frauen zu besuchen. Ich möchte gern um neun Uhr abgeholt werden. Das Abendessen werde ich allein in meinem Zimmer einnehmen.«
Er stand auf, verbeugte sich und ging auf das weiße Hotelgebäude zu. Ana blieb sitzen und dachte über das nach, was Pandre gesagt hatte. Sie wusste, dass er recht hatte. Isabel musste zwischen Leben und Tod wählen, um ihre Seele zu retten.
Und was tue ich? Habe ich noch eine Möglichkeit zu wählen?
Sie blieb sitzen, bis die Sonne unterging. Dann fuhr sie nach Hause, zog sich um und holte Pandre um neun Uhr ab. Er trug jetzt einen dunklen Anzug mit einem steifen, hohen Kragen und roch nach Parfum, wie es Ana noch nie bei einem Mann erlebt hatte.
»Das Stethoskop«, fragte sie, als sie im Auto saßen. »Wie haben Sie es bekommen?«
»Ich habe meine Vorbereitungen getroffen«, sagte Pandre. »Bevor ich abgeholt wurde, habe ich einen kurzen Besuch im Krankenhaus abgestattet. Ein freundlicher Arzt überließ mir ein altes Stethoskop zu einem niedrigen Preis.«
Schweigend setzten sie ihre Fahrt fort.
Als sie am O Paraiso ankamen, ließ sich Pandre auf einem der roten Sofas nieder, bekam ein Glas Sherry serviert und begann dann, eine Frau nach der anderen gründlich zu taxieren.
Ana betrachtete ihn aus der Entfernung. Die Rechnung hatte sie immer noch nicht geöffnet. Sie hatten sich zwar auf hundert Pfund geeinigt. Aber sie ahnte, dass Pandre sie auch für unerwartete, aber bedeutende Nebenkosten aufkommen lassen würde.
Sie schaute Pandre und seine musternden Augen an.
Isabels Kerker war nahe. Eine Kette an Isabels Fußgelenk schabte und rasselte dumpf in ihr.
64
Als Pandre schließlich die Frau auserkoren hatte, die er haben wollte, und auf sie zeigte, als hätte er ein Schlachtopfer auserwählt, war es zum Erstaunen aller die blasse und wenig attraktive A Magrinha. Ana dachte zuerst, es sei Felicia, für die er sich entschieden hatte, da sie neben A Magrinha stand. Aber als Pandre aufstand und eine leichte Verbeugung vor der mageren Deolinda machte, nach der kaum je ein Kunde fragte, war sie erstaunt. Aber so viel hatte sie während der Zeit, die sie im Bordell verbrachte, doch gelernt: Die Wünsche der Männer und ihre Sicht auf das, was verlockend war, konnte man nicht vorhersagen. Sie dachte auch, nicht ohne ein
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