Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
du uns das antun?«
Pedro war bleich wie ein Mann, der eines Verbrechens überführt worden war und auf seine Verhaftung wartete.
Teresa sah plötzlich zu Hanna: »Wer bist du?«, fragte sie. »Hat er auch mit dir Kinder? Wo sind sie? Seid ihr vielleicht auch verheiratet? Heißen deine Kinder José und Anabel?«
Hanna stand auf. »Er ist ein Freund«, sagte sie.
»Wie kannst du einen solchen Mann zum Freund haben?«
Teresa schien plötzlich erschöpft. Sie sah von einem zum anderen. Doch es war Isabel, die zum Äußersten bereit war. Auf dem Tisch lag ein Messer, mit dem Pedro gern kleine Holzskulpturen schnitzte, die er verbrannte, wenn sie fertig waren. Sie griff nach dem Messer und stach es direkt in Pedros Brust, zog es heraus und stach noch einmal zu. Später würde Hanna in Gedanken mindestens zehn tiefe Stiche zählen, ehe Pedros Körper auf dem Boden der Veranda zusammensackte. Isabel nahm ihre Kinder und zog sie mit sich ins Haus. Teresa schien das Bewusstsein zu verlieren. Zum ersten Mal verließ der Junge seinen Platz an der Tür. Er hockte sich neben seine Mutter und schlang die Arme um sie. Das Mädchen weinte wieder, aber diesmal fast lautlos.
57
Viele Stunden später, als Pedros toter Körper zur Leichenhalle gebracht worden und Isabel in Handschellen und mit einer Fessel um das rechte Fußgelenk abgeführt worden war, fuhr Hanna nach Hause. Zuvor war es ihr gelungen, Ana Dolores zu treffen, der sie viel verdankte. Die Krankenschwester kümmerte sich um Teresa und ihre Kinder. Joanna und Rogerio wurden hingegen den Dienstboten übergeben, die sie zu Isabels Schwester bringen sollten. Betrübt dachte Hanna, dass diese schönen Kinder nun aus der geordneten Welt, in der sie aufgewachsen waren, in den Irrwegen der schwarzen Wohnviertel verschwinden würden.
Auf dem Weg zurück zur Stadt bat Hanna den Chauffeur, am Straßenrand zu halten. Sie befanden sich neben dem Fluss, kurz vor der Brücke, die so eng war, dass sie immer nur in einer Richtung überquert werden konnte. Ein alter Afrikaner stand da mit roten und grünen Flaggen und dirigierte die wenigen Autos. Erst jetzt spürte Hanna, wie der Schock nach dem, was sich ereignet hatte, ihr zusetzte.
»Was wird mit Isabel geschehen?«, fragte sie.
»Sie wird in der Festung eingesperrt«, sagte der Chauffeur.
»Wer wird sie verurteilen?«
»Sie ist schon verurteilt.«
»Aber bedeutet es nichts, dass Pedro sie verraten hat? Auf die gleiche Art, wie er Teresa verraten hat?«
»Wenn Teresa ihn getötet hätte, wäre sie straflos mit den Kindern nach Portugal zurückgeschickt worden. Aber Isabel ist eine schwarze Frau. Sie hat einen weißen Mann getötet. Dafür wird sie bestraft werden. Und wer würde es empörend finden, dass ein weißer Mann eine schwarze Frau verraten hat?«
Sie sprachen nicht mehr darüber. Hanna spürte, dass der Chauffeur nicht preisgeben wollte, was er wirklich dachte.
Sie fuhren über die Brücke zur Stadt hinein, als der Mann die grüne Flagge hob. Sie war zerfetzt und zerfranst.
Hanna bat, zur Strandpromenade nördlich der Stadt gefahren zu werden. Sie zog die Schuhe aus und ging barfuß auf dem weichen Sand. Es herrschte Ebbe. Weit draußen auf dem Wasser ahnte sie die kleinen Fischerboote. Schwarze Kinder spielten auf dem Teil des Strandes, der nicht für die Weißen reserviert war.
Isabel zu retten wird eine ähnlich schwere Aufgabe sein, wie mich selbst zu retten. Ich kann diesen Kontinent erst verlassen, wenn ich dafür gesorgt habe, dass sie einen gerechten Prozess bekommt. Danach kann ich darüber entscheiden, was ich tun werde.
Sie ging den Strand entlang, sah die Flut langsam zurückkehren. Isabel war unauflöslich mit ihr selbst verbunden. Sie war erstaunt darüber, wie selbstverständlich das Gefühl und die Überzeugung waren. Endlich einmal herrschte in ihrem Leben kein Zögern.
Sie ließ sich nach Hause fahren und bezahlte den Chauffeur. Am Abend setzte sie sich an ihren Schreibtisch und rechnete zusammen, was sich an Bargeld seit dem Tod von Senhor Vaz angesammelt hatte. Einen Teil dieses Geldes würde sie jetzt verwenden, um einen Anwalt für Isabel zu engagieren.
Carlos saß auf dem Kleiderschrank und verfolgte ihr Treiben. Plötzlich sprang er herunter und setzte sich vor ihr auf den Tisch. Er packte ein Geldbündel und fing an, die Scheine mit seinen langen schwarzen Fingern zu zählen. Ernst, als verstünde er, was er tat.
TEIL IV
Das Verhalten des Schmetterlings
angesichts
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