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Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sie selbst in das Gemälde, war nicht länger nur eine Betrachterin.
    Pedro Pimenta tauchte am Hang auf. Gleich hinter ihm die weiße Frau, die nicht mehr weinte. Sie hielt das Mädchen fest an der Hand. Das Mädchen war still. Was die Frau zu Pedro sagte, konnte Hanna nicht verstehen. Plötzlich blieb er stehen und gestikulierte mit den Händen. Es sah aus, als flehte er die Frau an, mit dem Mädchen zurückzubleiben. Er ging weiter auf die Veranda zu, jetzt fast laufend.
    Die weiße Frau mit dem Mädchen an der Hand begann zu schreien: »Ich habe dir geglaubt. Ich habe alle Briefe aufgehoben, die du geschrieben hast, alle Erklärungen der großen Liebe. Ich habe dich gebeten, mit den Kindern kommen zu dürfen. Ich schaffe es nicht mehr, in Coimbra zu warten. Aber du hast immer nur geantwortet, die Stadt sei zu gefährlich. Von Brief zu Brief, immer dieselbe Lüge.«
    Sie zog einen zerknüllten Brief aus der Tasche und las mit schriller Stimme: »›In Lourenço Marques streunen tückische Leoparden und Löwenrudel in den Nächten umher. Jeden Morgen ist ein weißer Mensch, oft eine Frau oder ein Kind, aufgefressen worden. Giftschlangen gelangen in die Häuser. Noch ist es zu gefährlich, um herzukommen.‹ Hast du das geschrieben, oder hast du das nicht geschrieben?«
    »Ich habe die Wahrheit geschrieben.«
    »Aber hier gibt es keine wilden Tiere auf den Straßen. Auch damit hast du gelogen.«
    »Vor einigen Jahren gab es sie.«
    »Niemand, mit dem ich gesprochen habe, hat während der letzten dreißig Jahre einen einzigen Löwen in dieser Stadt gesehen. Du hast in den Briefen gelogen, damit wir nicht herkommen. Die Liebe, die du beschrieben hast, gab es nicht.«
    Die rasende Frau hatte Pedro gegen die Verandawand gedrückt. Das Mädchen hatte sich an der Tür neben den Jungen gestellt. Isabel saß aufrecht auf dem Sofa und betrachtete das Geschehen. Hanna dachte, sie sollte weggehen. Aber etwas, was nicht nur Neugier war, hielt sie zurück.
    Isabel drehte sich plötzlich zur anderen Seite der langen Veranda. Da standen Joanna und Rogerio. Lautlos wie ihre Mutter waren sie aufgetaucht.
    »Wer ist das?«, schrie die Frau aus Coimbra.
    »Können wir uns nicht setzen und über alles zu reden versuchen, ruhig und friedlich?«, bat Pedro.
    Aber die Frau presste ihn weiter gegen die Wand.
    »Das sind meine Kinder«, sagte Isabel und stand auf. »Das sind meine Kinder, Pedro ist ihr Vater. Und jetzt will ich wissen, wer du bist, die meinem Mann diesen Auftritt zumutet.«
    »Meinem Mann? Meinem Mann? Ich bin es, die mit ihm verheiratet ist! Bin ich nicht mit dir verheiratet, Pedro, seit bald zwanzig Jahren? Wer ist sie? Eine schwarze Hure, die du aufgenommen hast?«
    Isabel gab der Frau eine Ohrfeige und bekam sofort eine zurück. Pedro ging dazwischen und versuchte, die beiden Frauen zu beruhigen. Isabel setzte sich. Aber die weiße Frau begann jetzt, Pedro zu schlagen.
    »Kannst du nicht ausnahmsweise die Wahrheit sagen? Was tut sie hier? Wer sind diese Kinder?«
    »Teresa. Lass uns erst einmal durchatmen. Dann können wir reden. Alles lässt sich erklären.«
    »Ich bin ruhig. Ich habe nur all die Briefe satt, in denen du gelogen und mich angefleht hast, in Coimbra zu bleiben.«
    »Es war immer nur die Angst, euch würde etwas zustoßen.«
    »Wer ist sie?«
    Pedro versuchte, sie beiseitezunehmen, vielleicht um mit ihr zu sprechen, ohne dass Isabel hörte, was gesagt wurde.
    Aber Isabel stand wieder auf, nahm ihre Kinder bei der Hand und schob sie zu Teresa und Pedro hin. »Das sind Pedros und meine Kinder«, sagte sie.
    Teresa starrte sie an. »O Gott«, sagte sie. »Nenne nicht ihre Namen!«
    »Warum nicht?«
    »Heißt der Junge José? Und das Mädchen Anabel?«
    »Sie heißen Rogerio und Joanna.«
    »Dann hat er ihnen immerhin andere Namen gegeben. Wenigstens da gab es für ihn eine Grenze.«
    Hanna begann zu verstehen. Pedro hatte also eine Familie in Portugal und eine zweite Familie hier in der Stadt.
    Teresa hatte aufgehört zu schreien. Sie sprach jetzt mit entschlossener Stimme, als hätte sie eine furchtbare Schlussfolgerung gezogen, die ihr dennoch Ruhe gab. »Das ist also der Grund, warum wir nicht kommen sollten«, sagte sie. »Deshalb hast du all diese verfluchten Briefe über die drohenden Gefahren geschrieben. Du hast dir hier in Afrika eine zweite Familie zugelegt. Als ich das Warten schließlich nicht mehr ertrug, glaubte ich, du würdest dich freuen. Stattdessen habe ich dich bloßgestellt. Wie konntest

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