Erinnerung Des Herzens
Stimme versprach, dass es nicht sehr weh tun würde. Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten. Eine rollte ihr über die Wange auf die Lippen, und sie schmeckte das Salz darin.
Töricht war dieses Gefühl, töricht und nutzlos. Andere Frauen hatten denselben Kreuzweg beschritten und waren ihn bis zum Ende gegangen. Wenn es anschließend Bedauern geben sollte, musste sie damit leben können. Solange sie wusste, dass sie die richtige Wahl getroffen hatte.
Sie redete nicht mit der Krankenschwester, die sie vorbereitete. Wieder sanfte, kundige Hände, beruhigender Zuspruch. Eve schauderte zusammen bei dem Gedanken an all die Frauen ohne ihr Vermögen und ihre Hilfsquellen. Ihre
Schwestern, deren einzige Erlösung von einer unmöglichen Schwangerschaft in irgendeinem dunklen Hinterzimmer vonstatten gehen konnte.
Sie lag ruhig da und spürte nur den kleinen Einstich der Nadel. Sie sollte sich entspannen, sagte man ihr. Sie rollten sie aus dem Zimmer. Sie blickte auf die Decke. In ein paar Augenblicken würde sie im Operationssaal sein. Und in weniger Zeit, als man braucht, um darüber zu berichten, würde sie in einem dieser hübschen kleinen Privatzimmer mit Blick auf die Berge liegen.
Sie dachte daran, wie Gloria ausgesehen hatte, als sie ihre Arme über ihre Augen gelegt hatte.
Eve schüttelte den Kopf. Das Betäubungsmittel machte sie schläfrig, sie hatte das phantastische Gefühl zu schweben. Dann kam es ihr so vor, als hörte sie ein Baby schreien. Aber das konnte nicht sein. Ihr Kind war ja überhaupt noch kein richtiges Baby. Und würde es auch nie sein.
Sie sah die Augen des Arztes, diese sanften, sympathischen Augen, über der Maske. Sie griff nach seiner Hand, konnte sie aber nicht fühlen.
»Bitte ... ich kann nicht ... ich will das Baby.«
Als sie aufwachte, lag sie in einem dieser hübschen Räume im Bett. Die Sonne schien durch die Fensterscheiben. Sie sah Travers, die neben ihr auf einem Stuhl saß.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte sie. »Sie haben sie gerade noch rechtzeitig zurückgehalten.«
»Sie haben das Baby also bekommen«, flüsterte Julia.
»Es war Victors Kind, in Liebe empfangen. Einmalig und kostbar. Und als sie mich durch diesen Korridor fuhren, wurde mir klar, dass das, was für Gloria richtig gewesen war, es für mich nicht war. Ich weiß nicht, ob ich meine Ansicht geändert und doch noch die richtige Entscheidung für mich getroffen hätte, wenn ich das vorher mit ihr nicht erlebt hätte.«
»Wie haben Sie das Kind zur Welt gebracht und dieses Geheimnis all die Jahre hindurch bewahren können?«
»Zuerst habe ich mich entschlossen, mich mit der Schwangerschaft abzufinden. Ich schmiedete Pläne. Ich kam zurück in die Staaten, aber nach New York. Ich brachte es fertig, ein paar Leute dafür zu interessieren, mich am Broadway auftreten zu lassen. Es dauerte natürlich ziemlich lange, bis das richtige Drehbuch gefunden war, der richtige Regisseur und die richtige Besetzung. Und Zeit war alles, was ich brauchte. Nach sechs Monaten, als ich meinen Zustand nicht mehr so leicht verbergen konnte, ging ich in die Schweiz, in ein Chäteau, das einer meiner Rechtsanwälte für mich gekauft hatte. Dort lebte ich unter dem Namen Madame Constantine mit Travers zusammen. Ich verschwand für drei Monate buchstäblich vom Erdboden. Victor versuchte verzweifelt, mich zu finden, aber ich lebte ganz ruhig und zurückgezogen. Am Ende des achten Monats ging ich unter dem Namen Ellen Van Dyke in eine Privatklinik. Die Ärzte waren besorgt. Damals war es nicht üblich, dass eine Frau ihr erstes Kind in diesem Alter bekam.«
Und allein, dachte Julia. »War es eine schwierige Schwangerschaft?«
»Ermüdend«, antwortete Eve lächelnd. »Auch schwierig, weil ich Victor bei mir haben wollte und es nicht konnte. Es gab auch ein paar Komplikationen. Erst ein paar Jahre später erfuhr ich, dass dieses Baby mein einziges Kind bleiben würde. Ich konnte nie wieder empfangen. Zwei Wochen zu früh setzten die Wehen ein. Für das erste Baby ging es relativ schnell, sagte man mir. Nur zehn Stunden. Mir kam es vor wie zehn Tage.«
Julia musste lachen. »Ich weiß. Bei Brandon hat es dreizehn Stunden gedauert. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor.« Ihre Blicke trafen sich über der flackernden Kerze. »Und das Baby?«
»Es war ein kleines Kind, nur sechs Pfund schwer. Schön, das Schönste, was man sich vorstellen kann. Rosa und vollkommen, mit großen, klugen Augen. Ich durfte sie eine Weile im Arm halten.
Weitere Kostenlose Bücher