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Erinnerung Des Herzens

Erinnerung Des Herzens

Titel: Erinnerung Des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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und griff nach Eves Hand. »Es tut mir so leid.«
    »Das ist nicht nötig.« Eve hielt ihre Hand fest. »Setzen Sie sich mit mir hin und lassen Sie mich den Rest erzählen.«
    Hand in Hand saßen sie einander gegenüber. Zwischen ihnen stand eine Kerze, deren Flamme Licht und Schatten auf Eves Gesicht warf. Julia konnte ihren Gesichtsausdruck schwer deuten. War es Trauer, Schmerz, Hoffnung?
    »Ich war beinahe vierzig und hatte den Gedanken an eigene Kinder längst schon aufgegeben. Die Schwangerschaft machte mir angst, nicht nur wegen meines Alters, sondern vor allem wegen der Begleitumstände. Vor der öffentlichen Meinung hatte ich keine Angst, Julia, wenigstens nicht, soweit es mich betraf.«
    »Es ging Ihnen um Victor«, murmelte Julia.
    »Ja. Victor war durch das Gesetz und seine Religion an eine andere Frau gebunden.«
    »Aber er liebte Sie.« Julia drückte Eves Hand einen Augenblick lang an ihre Wange. »Wie hat er reagiert, als Sie es ihm erzählt haben?«
    »Ich habe es ihm nicht erzählt. Nie.«
    »Oh, Eve, wie konnten Sie ihm das verheimlichen? Es war ebenso sein Kind wie Ihres. Er hatte ein Recht darauf, es zu wissen.«
    »Wissen Sie, wie verzweifelt er sich Kinder gewünscht hat?« Mit dunklen, glänzenden Augen rückte Eve näher. »Niemals hat er sich den Verlust seines Kindes verziehen. Sicher wäre alles anders verlaufen, wenn ich es ihm erzählt hätte. Aber ich hätte ihn mit dem Kind ebenso sicher in die Falle gelockt, wie seine Frau es mit Schuldgefühlen, Gott und Trauer geschafft hatte. Das konnte ich nicht, das wollte ich nicht.«
    Julia wartete, während Eve mit leicht zitternder Hand Wein nachschenkte. »Ich verstehe das, ich glaube es jedenfalls zu verstehen«, sagte Julia. »Ich habe meinen Eltern den Namen von Brandons Vater aus sehr ähnlichen Gründen nie verraten. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er nur deshalb bei mir wäre, weil ich zufällig ein Kind von ihm hatte.«
    Eve nahm einen Schluck, dann noch einen. »Das Kind war in meinem Inneren, und ich hatte das Gefühl und werde es auch immer haben, dass die Entscheidung meine Sache war. Ich sehnte mich sehr danach, es ihm zu erzählen, das Geheimnis wenigstens für einen einzigen Tag mit ihm zu teilen. Aber das wäre noch schlimmer gewesen als eine Lüge. Ich entschloss mich, wieder nach Frankreich zu fahren. Travers begleitete mich. Gloria konnte ich nicht darum bitten, es ihr nicht einmal erzählen, in einer Situation, in der sie so begeistert Namen aussuchte und Babyschuhe strickte.«
    »Ich weiß, Eve, das brauchen Sie mir gar nicht zu erklären.«
    »Ja. das glaube ich Ihnen. Nur eine Frau, die das selber durchgemacht hat, versteht das. Travers ...« Eve fummelte mit einem Streichholz herum und setzte sich dankbar zurück, als Julia es ihr anzündete. »Travers hat es auch verstanden.« Sie blies den Rauch aus. »Sie hatte auch ein Kind und konnte es doch nie wirklich haben. Deshalb reiste ich mit Travers nach Frankreich.«
    Nichts auf der Welt konnte so kalt, so hoffnungslos wirken wie die glatten weißen Wände dieses Untersuchungsraums. Der Arzt hatte eine freundliche Stimme, sanfte Hände, strömte Liebenswürdigkeit aus. Aber das alles spielte keine Rolle. Eve ertrug die notwendigen Untersuchungen und beantwortete benommen alle Fragen. Ihre Blicke hafteten auf der glatten weißen Wand.
    So war ihr Leben. Glatt und leer. Das würde ihr natürlich niemand abnehmen. Nicht einer Eve Benedict, dem Star, der Göttin der Leinwand, der Frau, nach welcher sich unzählige Männer sehnten, und die von unzähligen Frauen beneidet wurde. Wer hätte verstehen können, dass sie in diesem Augenblick alles dafür hergegeben hätte, um ein Durchschnittsmensch zu sein? Die durchschnittliche Frau eines durchschnittlichen Mannes, die ein durchschnittliches Kind erwartete?
    Weil sie aber Eve Benedict war und der Vater Victor Flannigan, konnte es kein durchschnittliches Kind sein, es durfte nicht einmal leben.
    Sie wollte nicht daran denken, ob es ein Junge sein würde oder ein Mädchen. Aber sie musste trotzdem daran denken. Sie wagte nicht, sich vorzustellen, wie es aussehen würde, wenn sie es am Leben lassen würde, doch nur allzuoft tat sie es trotzdem. Das Kind würde Victors Augen haben. Vor Liebe und Sehnsucht erlitt sie fast einen Zusammenbruch.
    Hier gab es keine Liebe und keine Sehnsucht.
    Sie saß da und hörte zu, als der Arzt ihr erklärte, wie einfach der Eingriff sein würde, ihr mit seiner sanften, beruhigenden

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