Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
gesagt, dass ich keine Aussicht auf einen Job in Cambridge oder Boston oder etwas in der Art hatte. Mit dir leben könnte ich überhaupt nur, wenn wirverheiratet wären, und dazu bist du nicht bereit, sagte ich ihm. Das war an einem sehr heißen Nachmittag, und wir gingen nach einem Lunch durch die Tuilerien. Ich wollte ihn nur aufziehen – ich hatte nicht die mindeste Absicht, ihn zu heiraten –, aber ich dachte mir, er würde heftig protestieren und das Gegenteil behaupten, und das hätte mich amüsiert. Aber er sagte nichts. Ich glaube, er war erleichtert. Er hatte schreckliche Angst, dass ich erklären würde, ich wolle heiraten.
Dann passierte das Unerwartete. Ich war noch in Paris und hatte eine Schiffspassage für das Ende der Woche gebucht, da rief Hubert an, wie immer mitten in der Nacht, um mich und nicht den Anrufbeantworter zu erreichen. Er hatte mir einmal erzählt, er hinterlasse nicht gern Spuren. Als ich seine Stimme hörte, schmolz ich dahin. Buchstäblich. Ich habe mich nicht berührt oder so, aber ich war sofort ganz feucht. Mit seiner tollen Bassstimme sagte er: Ich will dich, du musst nach Genf kommen. Seine Frau werde nach Zürich ziehen, um in der Nähe ihrer Eltern zu sein, und die Mädchen seien im Internat; er brauche mich. Er lasse sich scheiden. Nicht, dass irgendwas davon einen Unterschied gemacht hätte. Wenn er verlangt hätte, dass ich Johns Hochzeit schwänze, hätte ich es getan. Was sage ich? Wenn er verlangt hätte, ich solle im Nachthemd aus dem Haus gehen und mich auf den Boulevards öffentlich zeigen, ich hätte gehorcht. Er hätte mir jede Selbsterniedrigung befehlen können, ich wäre ihm zu Willen gewesen. Aber er war sehr freundlich und sagte stattdessen, da ich selbstverständlich nach Bristol fahren müsse, werde er nach Paris kommen. Er bat mich nur, so schnell wie möglich nach Genf umzuziehen. Die folgenden drei Tage in Paris machten mich zuseiner Sklavin. Weißt du noch, wie viel Lärm ich machte, wenn ich kam? Bei ihm heulte ich laut auf.
Ich fuhr im Mercedes nach Genf, den größten Teil der Strecke mit offenem Verdeck, sang alte Lagerlieder und Spirituals und malte mir mein Leben mit Hubert aus. Er hatte mich in das Hôtel des Bergues bestellt. Dort hatte er ein Apartment im obersten Stock reserviert – ein Schlafzimmer und ein etwas größeres Wohnzimmer, beide mit Blick auf den See. Ich fragte mich, ob dort genug Platz für uns beide wäre, da er, so wie ich ihn verstanden hatte, gern zu Hause arbeitete, aber es stellte sich heraus, dass wir gar nicht beide dort wohnen sollten. Nur ich. Bis der Scheidungsprozess abgewickelt war, wollte er weiter in seiner alten Wohnung bleiben. Dazu hatte ihm sein Anwalt geraten. Wir gewöhnten uns an einen gleichmäßigen Tagesablauf. Ich machte lange Spaziergänge am See und in der Altstadt. Abends aßen wir meist in meinem Wohnzimmer, das Essen ließen wir uns vom Zimmerservice bringen. Wenn ich allein war, aß ich im Hotelrestaurant. Das Essen war gut, vor allem die Schweizer Gerichte. Hubert hatte eine Menge Verpflichtungen und musste oft an Feiern und Festessen teilnehmen, das gehörte zu seinem Job, und er bat mich eher selten, mitzukommen. Das war mir ganz recht. Seine Freunde waren höflich, aber ohne Wärme, und mir war nicht klar, was sie sich dabei dachten, dass Hubert mich mitbrachte oder dass ich ohne irgendeine erkennbare Beschäftigung in Genf wohnte. Hubert sagte, es sei genug, dass er mich als eine amerikanische Journalistin vorstellte. Ich fand, ich müsse eine konkretere Erklärung haben, eine, die auch meine Eltern überzeugen könnte, und daraufhin kam er mit der albernen Idee, dass ichan einem langen Artikel über Madame de Staël und ihre Jahre in Coppet arbeitete, aus dem vielleicht ein Buch würde. Er gab mir eine Biographie, die ich schnell durchlas, um halbwegs intelligent zu klingen, wenn ich über die de Staël redete, und ich begann tatsächlich, mich für sie zu interessieren, aber wichtig war es mir nicht. Das Einzige, was zählte, waren die Nächte – jede einzelne Nacht, die er bei mir war. Er ließ mich betteln wie eine Hündin, die sich auf die Hinterbeine stellte, um jede einzelne Gunst, die ich von ihm wollte, musste ich betteln. Ich musste sehr genau bezeichnen, was ich mir von ihm wünschte. Ich war in einer Trance sexueller Sättigung. Wir machten so weiter bis einen Tag vor Weihnachten, und dann erklärte er mir, den Weihnachtsabend und den Weihnachtstag werde er in Zürich mit Frau
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