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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Unterhaltungen an anderen Tischen zu lauschen. So wie ich jetztlebte, hörte ich manchmal tagelang keine menschliche Stimme außer im Radio oder wenn der Pförtner sage: Schönen Tag noch, Sir.
    Und was denkst du, wie ich lebe?, entgegnete sie.
    Der unerwartet aggressive Ton ihrer Bemerkung bewirkte, dass ich sie genauer betrachtete. Sie sah abgezehrt aus und hatte rötliche Flecken im Gesicht, die durch das Make-up nur unvollkommen vertuscht wurden. Das konnte eine Allergie gegen irgendetwas in ihrem Garten sein; sie war erst vor zwei Tagen aus ihrem Haus auf dem Land zurückgekommen. Ich bot ihr ein Glas Champagner an, das sie ablehnte; sie wollte einen Martini, wie ich ihn trank. In ihrem Pool sei ein Leck, erzählte sie, abdichten könne man es nicht, ohne das Wasser abzulassen, und dann müsse das Becken mit Zement ausgegossen werden; sehr wahrscheinlich brauche sie auch eine neue Heizung; der Mann, der sich um den Pool kümmerte, sei ein Gauner. Sie traue ihm die Reparaturen nicht zu, hätte sie sich doch bloß nicht mit seinem Vorgänger zerstritten, der auch unehrlich war, aber nicht im selben Maß, und wenigstens etwas von seiner Arbeit verstand. Sie habe die Treuhandgesellschaft angerufen, weil sie Geld für die Reparatur und die Heizung brauchte, und der Assistent des Treuhandverwalters sei grob zu ihr gewesen. Als sie sich bei ihrem Bruder John beklagt habe, erklärte er ihr, die De Bourghs gehörten nicht mehr zu den wichtigsten Kunden der Gesellschaft. Er hatte die Frechheit, ihr zu sagen, dass es ihre eigene Schuld sei, wenn die Leute von der Treuhandgesellschaft sie nicht freundlich behandelten. Sie habe alle »befremdet« – er habe tatsächlich dieses Wort benutzt – mit ihren ständigen Nörgeleien und Forderungen. Natürlich habe sie daraufhin das Telefonatabgebrochen, aber das Problem sei damit nicht gelöst. Sie konnte der Treuhandgesellschaft nicht kündigen. Das stand im Treuhandvertrag. Und offensichtlich würde ihr auch niemand helfen, die Leute zur Ordnung zu rufen. So sei ihr Freitag verlaufen. Am Samstag dann eine Party bei den McGregors, den Nachbarn im Haus nebenan. Die besäßen wenigstens so viel Anstand, sie einzuladen. Was die Hälfte der anderen Gäste für eine Einladung qualifiziert habe, sei ihr allerdings ein Rätsel. Ihre Großtante Helen Goddard King, die ihr das Haus in Little Compton testamentarisch vermacht hatte, hätte solche Leute nicht über ihre Schwelle gelassen. Sie könne nicht glauben, dass irgendjemand von ihnen zum Club Zutritt haben würde, nicht mal als Sommergast. Aber ihr sei es egal. Sie betrete den Club kaum noch.
    Ich unterbrach sie, damit sie dem Kellner sagte, was sie speisen wolle, dann bestellte ich mein Essen und eine Flasche Wein. Wenn ich sie nicht auf ein anderes Gleis brachte, hörte sie mit dieser speziellen Jeremiade womöglich nicht auf, bis ich die Rechnung bezahlt hatte und ihr anbot, sie nach Hause zu bringen.
    Weißt du, sagte ich, über diese schrecklichen Monate in Genf und über deinen bemerkenswerten Neuanfang in Cambridge habe ich viel nachgedacht, und da ist etwas, das ich offenbar nicht richtig verstanden habe. Du hast mir doch erzählt, dass du vor deiner Abreise nach Genf entschieden hattest, zwischen dir und Thomas sei alles aus, das Ding sei nicht zu retten. Du hast dich ohne einen einzigen Gedanken an Thomas wieder mit Hubert eingelassen. Und dann habt ihr, Thomas und du, trotzdem geheiratet! Warum? Noch eine zweite Frage schwirrt mir im Kopf herum: Warum hast du deine Karriere im Verlag nicht fortgesetzt? Die Arbeit scheint so gut zu dir zu passen.
    Die zweite Frage ist leicht, erwiderte sie. Ich mochte Emily Calhoun, meine Chefin bei Houghton Mifflin; mir gefiel der Verlag in Boston. Ich mochte die netten betulichen Männer, die dort arbeiteten. Sie waren alle in St. Mark’s gewesen und dann bei der Navy, und ich bin gern mit ihnen zum Lunch ins Café des Ritz gegangen. Sie tranken gern Martinis, so wie ich, und ich wusste, sie hätten sich ein Bein ausgerissen, um mich mit nach oben nehmen und aus den Kleidern schälen zu können. Ob sie mehr als das wollten, weiß ich nicht, aber was immer sie wollten, sie wagten nicht die mindeste Andeutung. In New York war ich zu krank, und ich hatte Jamie. Als er alt genug war, um in den Kindergarten zu gehen, hatte ich ein paar Vorstellungsgespräche. Das war nichts für mich, selbst wenn es mir bessergegangen wäre und Thomas mir nicht das Gefühl gegeben hätte, ich sei vollkommen

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