Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
ließ, dann würde ich einen ruhigen Platz bekommen und mit dem Respekt behandelt, der einem berühmten Romancier zustehe. So hatte sie mich bei dem Eigentümer oder Geschäftsführer eingeführt, einem gepflegten, höflichen Mann namens Gérard. Ich hatte einen Augenblick gezögert, bevor ich Lucy den Namen des Restaurants sagte, weil mir durchden Kopf ging, dass es amüsant, aber womöglich auch peinlich wäre, wenn Jane und ihr Mann am Nachbartisch säßen. Dann fiel mir ein, dass Jane gesagt hatte, in dieses Bistro gehe sie gern zum Lunch, aber niemals am Abend. Lucy hatte keine Einwände gegen meine Wahl, sagte vielmehr: Meine Güte, da hältst du dich jahrelang von der Stadt fern, und im Nu schließt du dich wieder der Schickeria an.
Am Donnerstag war ich mit ihr verabredet. Andere Verpflichtungen hatte ich in dieser Woche nicht, mein Buch schien auf gutem Weg zu sein, also konnte ich es mir leisten, Zeit für ein Mittagessen mit Josiah, und falls er auftauchte, auch mit Alex aufzuwenden. Josiah hatte Zeit. Wir verabredeten uns für Mittwoch, ein Uhr, im Paddock Club.
Im Club war es üblich, dass Mitglieder, auch wenn sie mit Gästen kamen, Lunch im Speisesaal für Mitglieder an einem langen polierten Mahagonitisch einnahmen. Ein Mitglied und sein Gast konnten auch an einem kleinen Tisch für sich im angrenzenden Speiseraum essen, aber wenn wir das täten, erklärte mir Josiah, würden wir Alex verpassen, der nie einen Fuß in diesen Raum setzte. Nachdem wir unser Glas Champagner an der Bar getrunken hatten – Josiahs Drink zum Lunch, den er sich in einem großen Kognakschwenker mit einem Eiswürfel servieren ließ – und zum Speisesaal gingen, sahen wir, dass sich an dem der Tür zugewandten Ende des Tisches schon eine ganze Gruppe niedergelassen hatte. Josiah grüßte sie mit einem Nicken und einem Winken, fasste mich am Ellbogen und steuerte mich mit festem Griff zum anderen Ende. Setzen wir uns an diese Seite, sagte er, da können wir reden, ohne in das allgemeine Geschwätz hineingezogen zu werden. Ich passe auf, ob Alex kommt. Lass uns schon mal bestellen. Ich bin halb verhungert.
Ich erkannte ihn sofort. Josiah hatte sich halb vom Stuhl erhoben, und er steuerte auf uns zu, ohne dass klar war, ob er mich wiedererkannt hatte. Alex war immer ein großer, kräftiger Mann gewesen, aber jetzt war er zum Hünen geworden, so massig wie sein Vater, den ich als eine Art Giganten in Erinnerung hatte. Er trug einen hellgrauen Nadelstreifenanzug, der so exquisit altmodisch geschnitten war, dass ich hätte wetten mögen, er habe seinem Vater gehört. Wahrscheinlich hatte man ihn nicht einmal enger machen müssen. Alex war gealtert, aber immer noch ein schöner Mann, das Gesicht von gesunder rosiger Farbe, die blauen Augen klar und nicht mit einer Brille bewehrt, die Wangen fest und die Stirn glatt. Man hätte sich leicht vorstellen können, dass er jemand war, der niemals von Sorgen geplagt wurde.
Philip, sagte er gewichtig, als er sich gesetzt und dem Kellner über die Schulter mitgeteilt hatte, er nehme das Übliche. Philip, dich sehen wir hier nicht oft. Das ist schade. Mitglieder, die in den Künsten prominent sind, sollten häufig zum Lunch und Dinner in den Club kommen und talentierte junge Leute von der richtigen Sorte mitbringen. Nicht zu viele natürlich, nicht zu viele. Das war auch mein Motto beim Lampoon . Wir brauchten euch superbegabte Burschen, aber nicht in Mengen, die für uns andere unbehaglich werden konnten. Erinnerst du dich noch an deine Bewerbung? Mir kommt es vor, als wäre es gestern gewesen!
Natürlich erinnere ich mich, erwiderte ich. Hättest du nicht geholfen, hätten sie mich nie aufgenommen.
Das war die Wahrheit. Phools – so wurden die Anwärter um Mitarbeit an der Satirezeitschrift genannt – mussten auf dem Harvard Square eine Posse aufführen, deren Grad an Phoolishness von Mitgliedern höherer Semester bewertetet wurde. Es war die letzte Probe vor der Abstimmung der Mitglieder. Ich war im ersten College-Jahr, und mir fiel nichts Besseres ein, als am 1. April bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die zwanzig Grad als Nikolaus verkleidet in der Massachusetts Avenue aufzutreten, mit meinem Glöckchen zu bimmeln und jeden um Kleingeld anzugehen, der das Hayes-Bickford betreten wollte, unser Stammlokal für Muffins und Tee. Mein Auftritt wurde als »unoriginell und langweilig« bewertet – von allen außer Alex, der sich für meine Aufnahme einsetzte und
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