Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
ihr schnell genug abgewöhnen, hinter Ihrer Majestät herzulaufen.« Ich ließ mir dies gesagt sein, und in der Tat begann man sie zu entfernen und schickte sie bald darauf, reich beschenkt, nach Frankreich zurück.
Im Laufe des Winters fand die Hochzeit Graf Lestocqs mit Fräulein Mengden, einer Ehrendame der Kaiserin, statt. Ihre Majestät war mit dem ganzen Hofe zugegen und erwies den Neuvermählten die Ehre, sie zu besuchen. Man hätte meinen sollen, daß sie in der höchsten Gunst bei ihr standen, jedoch ein oder zwei Monate später wendete sich das Glück. Als wir eines Abends im Zimmer der Kaiserin spielten, bemerkte ich den Grafen und näherte mich ihm, um einige Worte an ihn zu richten. Allein er sagte mit gedämpfter Stimme zu mir: »Kommen Sie mir nicht zu nahe; ich bin eine verdächtige Person.« Da ich glaubte, er scherze, fragte ich ihn, was er damit sagen wolle, aber er antwortete: »Ich wiederhole Ihnen im vollen Ernst, sich mir nicht zu nähern, weil ich eine verdächtige Person bin, die man meiden muß.« Als ich dann bemerkte, daß seine Züge verändert und sein Gesicht gerötet war, hielt ich ihn für betrunken und wandte mich weg. Dies geschah am Freitag, und am Sonntag sagte mir Timotheus Nevreinoff, als er mich frisierte: »Wissen Sie schon, daß Graf Lestocq und seine Frau diese Nacht verhaftet und als Landesverräter auf die Festung gebracht worden sind?« – Niemand wußte weshalb, nur erfuhr man, daß General Stefan Apraxin und Alexander Schuwaloff zu Kommissaren für diese Angelegenheit ernannt seien.
Die Abreise des Hofes nach Moskau wurde auf den 16. Dezember festgesetzt. Man hatte die Czernitscheffs in ein Haus der Kaiserin innerhalb der Festung gebracht, welches Smolnoi Dwor hieß. Der ältere machte mitunter seine Wächter betrunken und besuchte dann seine Freunde in der Stadt. Eines Tages brachte mir eins meiner Garderobemädchen, eine Finnländerin, die mit einem Hofbedienten und Verwandten Nevreinoffs verlobt war, einen Brief von Andreas Czernitscheff, worin er mich um verschiedenes bat. Das Mädchen hatte ihnbei ihrem Zukünftigen gesehen, wo sie den Abend gemeinsam verlebt hatten. Da ich diesen Brief nicht verbrennen wollte, um mich zu erinnern, um was er mich bat, wußte ich nicht, wo ich ihn lassen sollte. Lange Zeit war mir sogar die Korrespondenz meiner Mutter verboten, so daß ich nicht einmal Schreibzeug besaß und mir nun durch das Mädchen eine silberne Feder und Tinte verschaffen mußte. Tagsüber hatte ich den Brief in meiner Tasche, wenn ich mich auskleidete, steckte ich ihn unter das Strumpfband in meinen Strumpf und nahm ihn, ehe ich zu Bett ging, von dort weg, um ihn in meinem Hemdärmel zu verbergen. Schließlich antwortete ich, schickte ihm das Gewünschte auf demselben Wege, auf welchem sein Brief an mich gelangt war, und benutzte einen günstigen Augenblick, um diesen Brief, der mir so viel Unruhe verursachte, zu verbrennen.
Siebtes Kapitel.
Aufenthalt in Moskau. – Man verabschiedet wieder eine Person meiner Umgebung. – Krankheit der Kaiserin Elisabeth. – Der Beichtvater verweigert Tschoglokoff das Abendmahl. – Lektüre. – Die Nähe der Gemächer des Großfürsten wird unerträglich. – Er dressiert und quält seine Hunde. – Mein Kammerdiener bringt mir heimlich einen Brief von Czernitscheff. – Reise nach Perowa. – Aufenthalt in Rajowa. – Graf Razumowski macht mir den Hof. – Der Ball im Kloster Troitza. – Wutausbrüche der Kaiserin. – Diner in Tatninskoje, wobei sich der Großfürst unsinnig betrinkt. – Iwan Schuwaloff wird zum Kammerherrn ernannt. – Ich werde krank, muß aber trotzdem der Hochzeit Alexander Narischkins beiwohnen.
Mitte Dezember reisten wir nach Moskau. Der Großfürst und ich fuhren in einem großen Schlitten, dessen vorderen Teil die Kavaliere einnahmen. Im Laufe des Tages setzte sich indes der Großfürst in einen Stadtschlitten zu Herrn Tschoglokoff, während ich in dem großen Schlitten, den wirnie schlossen, blieb und mich mit den vor mir sitzenden Herren unterhielt. Dabei erinnere ich mich, daß der Kammerherr Fürst Alexander Juriowitsch Trubetzkoi mir während dieser Fahrt erzählte, Graf Lestocq habe sich in den ersten elf Tagen seiner Haft auf der Festung durch Hunger töten wollen, doch man habe ihn gezwungen, Nahrung zu sich zu nehmen. Er war angeklagt, vom König von Preußen 1000 Rubel für die Betreibung der preußischen Interessen empfangen und einen gewissen Oettinger, der gegen ihn hätte
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