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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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Der Großfürst dressierte mit seltener Beharrlichkeit unter lautem Peitschenknallen eine Meute Hunde, die er, indem er nach Jägerart schrie, in seinen beiden Zimmern – denn er hatte nicht mehr – hin- und herhetzte. Wenn dann einige der Tiere müde wurden, oder aus der Reihe liefen, wurden sie aufs strengste gezüchtigt, worauf sie natürlich noch lauter lärmten. War er schließlich dieser für die Ohren wie für die Ruhe seiner Nachbarn unerträglichen Unterhaltung satt, so nahm er seine Geige zur Hand und kratzte, während er im Zimmer auf- und abging, mißtönig und mit wilder Heftigkeit darauf herum. Dann begann er von neuem die Hunde zu dressieren und zu martern, was mir wahrhaft grausam erschien. Eines Tages, als ich solch ein armes Tier laut und anhaltend winseln hörte, öffnete ich die Tür meines Schlafzimmers, wo ich mich eben befand, und welches an das Zimmer stieß, wo die Sache vor sich ging. Ich sah, wie er einen Hund am Halsbande in der Luft hielt, indes einer seiner Burschen, ein Kalmücke, das arme Tier – es war ein kleiner englischer Charlot – beim Schwanze gefaßt hatte, während der Großfürst mit einem dicken Peitschenstocke so derb er konnte darauf losschlug. Ich suchte für das gequälte Tier Fürbitte einzulegen, erreichte aber nichts als eine Verdoppelung der Schläge. Da ich diesen widerwärtigen Anblick nicht ertragen konnte, kehrte ich mit Tränen in den Augen in mein Zimmer zurück. Tränen und Bitten aber versetzten den Großfürsten erst recht in Zorn, statt ihn zum Mitleid zu bewegen. Mitleid war für seinen Geist überhaupt ein peinliches, ja unerträgliches Gefühl.
    Ungefähr um dieselbe Zeit überbrachte mir mein Kammerdiener Timotheus Nevreinoff einen Brief von seinem altenKameraden Andreas Czernitscheff, dem man endlich seine Freiheit wiedergegeben hatte. Als er sich zu seinem Regiment, in welches er als Leutnant versetzt war, begab, führte ihn sein Weg in die Nähe von Moskau, wo er die Gelegenheit benutzte, mir einige Worte zu schicken. Ich machte es mit diesem Briefe genau so wie mit dem vorhergehenden, sandte ihm alles, worum er mich bat, und erwähnte kein Wort davon, weder gegen den Großfürsten, noch gegen irgend jemand.
    Im Frühling ließ uns die Kaiserin nach Perowa kommen, wo wir mit ihr einige Tage beim Grafen Razumowski zubrachten. Fast täglich gingen der Großfürst und Tschoglokoff mit dem Hausherrn auf die Jagd, während ich in meinem Zimmer saß und etwas las, oder Madame Tschoglokoff kam, wenn sie nicht spielte, aus Langeweile zu mir, um mir Gesellschaft zu leisten. Sie beklagte sich bitter über Razumowski und die fortwährenden Jagden ihres Gemahls, der ein leidenschaftlicher Nimrod geworden war, seitdem er in Moskau einen sehr schönen englischen Jagdhund zum Geschenk erhalten hatte. Von anderer Seite indes erfuhr ich, daß ihr Mann allen Jägern zum Gelächter diene, weil er sich einbildete und man ihm glauben machte, seine Circe – so hieß sein Hund – fange alle Hasen, die man auftrieb. Ueberhaupt war Tschoglokoff sehr zu dem Glauben geneigt, daß alles, was ihm gehörte, von seltener Schönheit und Vortrefflichkeit sei. Seine Frau, seine Kinder, seine Diener, sein Haus, seine Tafel, seine Pferde, seine Hunde, kurz alles – obgleich es sehr mittelmäßig war – nahm an seiner Selbstliebe teil und besaß, da es ihm gehörte, in seinen Augen unvergleichlichen Wert.
    In Perowa bekam ich eines Tages so heftiges Kopfweh, wie ich mich nicht erinnere, je in meinem Leben gehabt zu haben. Der übermäßige Schmerz brachte ein heftiges Uebelbefinden mit Erbrechen hervor, und jeder Schritt, den ich tat,vermehrte meine Leiden. Fast vierundzwanzig Stunden währte dieser entsetzliche Zustand, endlich schlief ich ein. Am folgenden Tag empfand ich nur noch eine große Mattigkeit. Während dieses Anfalls sorgte Madame Tschoglokoff aufs beste für mich. Auch alle diejenigen, die mich mit unverkennbarer Böswilligkeit umgaben, faßten in kurzer Zeit unwillkürlich ein wohlwollendes Interesse für mich und handelten, wenn sie nicht gescholten oder von neuem aufgestachelt wurden, gegen die Absichten derer, die sie angestellt. Oft ließen sie sich sogar von der Neigung, die sie zu mir hinzog, oder besser, von dem Interesse, das ich ihnen einflößte, fortreißen. Sie fanden mich nie zänkisch oder mürrisch, sondern immer bereit, das geringste Entgegenkommen von ihrer Seite zu erwidern. Hierbei kam mir besonders mein heiteres Temperament zu statten, denn

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