Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
unglücklich sein werde, sah ich im voraus, und äußerte dies auch gegen Sergius Soltikoff, sowie gegen die Fürstin Gagarin, die sich gegenseitig zwar nicht eben geneigt waren, aber sich aus Freundschaft für mich vereinigten. Sie waren beide derselben Ansicht wie ich, konnten indes nichts daran ändern. Diese, von den Gemächern des Großfürsten sehr entfernten Zimmer sollte ich am Mittwoch beziehen. Am Dienstag abend jedoch ging ich in meinem Schlafzimmer zu Bett und wachte in der Nacht mit heftigen Schmerzen auf, so daß ich Madame Wladislawa weckte. Sie ließ sofort die Hebamme holen, welche erklärte, daß die Zeit meiner Niederkunft da sei. Darauf weckte man den Großfürsten, der in seinem Zimmer schlief, und den Grafen Alexander Schuwaloff.
Der letztere schickte sogleich nach der Kaiserin, die etwa um zwei Uhr morgens eintrat. Aber erst gegen Mittag des folgenden Tages, am 20. September, wurde ich von einem Sohne entbunden. Nachdem das Kind bekleidet war, ließ die Kaiserin ihren Beichtvater rufen, der ihm den Namen Paul gab. Hierauf befahl sie der Hebamme, das Kind zu nehmen und ihr zu folgen. Mich ließ man indes auf meinem Schmerzenslager liegen, das einer Tür gegenüber stand, durch welche das helle Tageslicht hereinfiel; hinter mir waren zwei mächtige Fenster, welche schlecht schlossen, und zur Rechten und Linken zwei Türen, von denen die eine in mein Ankleidezimmer, die andere in das von Madame Wladislawa bewohnte führte.
Nachdem die Kaiserin sich entfernt, gingen auch der Großfürst, sowie Herr und Frau Schuwaloff, und bis drei Uhr sah ich keinen Menschen wieder. Ich hatte stark geschwitzt und bat Madame Wladislawa, mir neue Wäsche anzuziehen und mich ins Bett zu schaffen, denn ich lag auf einer Art Entbindungstisch; allein sie erklärte, sie wage es nicht, schickte indes mehrere Male nach der Hebamme, doch diese kam nicht. Ich verlangte zu trinken, erhielt aber immer die nämliche Antwort. Nach drei Stunden endlich kam die Gräfin Schuwaloff in großer Toilette zurück. Als sie mich noch auf derselben Stelle liegen sah, war sie außer sich und rief, man wolle mich wohl auf diese Weise töten. Seit meiner Niederkunft in Tränen gebadet, verlassen, auf einem schlechten, unbequemen Lager, nach heftigen, schmerzhaften Geburtswehen, zwischen Türen und Fenstern, die schlecht schlossen, ohne daß jemand es wagte, mich in mein zwei Schritte entferntes Bett zu tragen, und ohne daß ich selbst die Kraft hatte, mich hinzuschleppen, waren die Worte der Gräfin ein süßer Trost für mich. Madame Schuwaloff entfernte sich sogleich, wahrscheinlich um die Hebamme zu holen, denn diese kam nach einer halben Stunde und sagte,die Kaiserin sei so um das Kind besorgt gewesen, daß sie sich keinen Augenblick habe entfernen dürfen. An mich dachte man nicht. Eine solche Vergeßlichkeit, oder besser Gleichgültigkeit, war allerdings nicht sehr schmeichelhaft für mich. Ich verschmachtete vor Durst. Endlich brachte man mich in mein Bett, dann sah ich den ganzen Tag keine lebende Seele mehr, ebensowenig erkundigte man sich nach meinem Befinden. Der Großfürst trank mit seinen Genossen, und die Kaiserin war mit dem Kinde beschäftigt.
In der Stadt sowie im ganzen Reiche herrschte die größte Freude über das glückliche Ereignis. Am nächsten Tage begann ich unerträgliche rheumatische Schmerzen zu empfinden, die an meinem linken Bein hinunterzogen. Ich wurde dadurch am Schlafen gehindert und bekam obendrein heftiges Fieber. Trotzdem aber bekümmerte man sich nicht mehr um mich, als vorher. Ich sah niemand, niemand fragte nach mir. Der Großfürst kam wohl einen Augenblick in mein Zimmer, ging aber gleich wieder fort mit der Ausrede, er habe keine Zeit, länger zu bleiben. Ich tat den ganzen Tag nichts als weinen und jammern. Nur Madame Wladislawa war bei mir und bedauerte mich, konnte mir aber nicht helfen. Dazu liebte ich weder bedauert zu werden, noch mich zu beklagen. Ich hatte einen zu stolzen Charakter; und schon der Gedanke, unglücklich zu sein, war mir unerträglich; denn bis dahin hatte ich getan, was ich konnte, um es nicht zu scheinen. Ich hätte Graf Alexander Schuwaloff und seine Gemahlin zu mir bitten können, wenn ich gewollt, allein beide waren so einfältig und langweilig, daß ich mich immer freute, wenn ich sie los war.
Am dritten Tage ließ die Kaiserin Madame Wladislawa fragen, ob eine Mantille aus blauem Atlas, welche Ihre Majestät am Tage meiner Niederkunft umgehabt hatte, weil es in
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