Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
Vom Netzwerk:
geschrien, wenn wir am Nachthimmel dahinzuschweben schienen wie wahrhaftige Dämonen. Heute ist das alles nur noch eine vage Erinnerung.
    Wir kletterten nach unten, auf die Straße, und plötzlich konnte ich mich wieder orientieren. Wir befanden uns in der Nähe des Obdachlosenasyls, das ich noch vor wenigen Stunden mutig und voller Lebenslust alleine hatte aufsuchen wollen. Oh, warum hatte ich nur so rebellisch sein müssen? Warum?
    Er deutete auf eine Menschengruppe, ich sah hin. Eine Handvoll Obdachlose standen um ein Feuer in einem Fass herum und wärmten sich die Hände an den Flammen. Orangerotes Licht erhellte ihre hageren Gesichter und leuchtete auf ihrer fadenscheinigen Kleidung.
    „Da“, sagte er. „Unsere Opfer … ganz für uns allein, Angelica. Ihr Leben ist kein großer Verlust.“
    Die Menschen, denen ich seit Jahren half. Dieses Monster hatte die Absicht, sich von ihnen zu ernähren, um sein verfluchtes Leben zu erhalten. „Nein“, flehte ich ihn an. „Nein, bitte, das dürfen wir nicht. Es ist eine Sünde, zu töten!“ Denn mir war klar, dass er Mord im Sinn hatte.
    Er ließ mich los, damit ich fliehen konnte. Dabei musste er gewusst haben, dass mir das unmöglich sein würde, dieses Tier. Er schlich sich an die Männer an wie ein großer Wolf auf der Pirsch. Aber er war unglaublich schnell. So schnell, dass mir keine Zeit blieb, sie zu warnen. Und dann schnappte er sich, ohne zu zögern, einen von ihnen. Nach einem erschrockenen Aufschrei verschwanden die anderen fluchtartig in der Nacht. Sein auserkorenes Opfer blieb jedoch in den Krallen des Jägers. Ein von Grauen gezeichnetes altes Gesicht, das ich schon einmal gesehen hatte. Im Obdachlosenasyl. In der Suppenküche, wo ich arbeitete. Von mir hatte er Decken bekommen und den Pullover, den er trug. Ich hatte mit ihm gebetet.
    Ich rannte los, aber zu spät. Die Bestie hatte die Zähne schon in den Hals des unschuldigen alten Mannes geschlagen. Ich holte nach dem Kopf aus, krallte nach dem Gesicht, aber der Unhold ließ sein Opfer erst los, als er sich gütlich getan hatte. Er hob den Kopf und sah mich lächelnd an. Seine Lippen leuchteten im Feuerschein scharlachrot. Ich wich zurück, schüttelte den Kopf, bewegte die Lippen, bekam aber keinen Ton heraus.
    Der Mann, dessen Name mir nicht mehr einfiel, sank mit offenen, schon glasigen Augen zu Boden. Der tanzende Schein der Flammen im Fass an seiner Seite verwandelte sein Gesicht in das Antlitz des Todes.
    Das Monster leckte sich die Lippen, dann packte es so schnell wie eine angreifende Kobra eine Strähne meines Haars und zog so fest daran, dass ich vor Schmerzen aufschrie. „Du wirst nie wieder die Hand gegen mich erheben, Angelica. Du gehörst jetzt mir. Mir, hast du verstanden? Ich beobachte dich schon dein ganzes Leben und warte auf dich. Du begleitest mich. Gehorchst mir. Nimmst Nahrung zu dir, wenn ich es tue.“ Als er an mir vorbei in die Schatten sah, stellte sich das böse Lächeln wieder ein. „Dein erstes Opfer wartet schon auf dich. Da hockt er zitternd in der Nacht und bildet sich ein, wir könnten ihn in der Dunkelheit nicht sehen.“ Er sah mir ins Gesicht. „Ich bring ihn zu dir, und du nimmst ihn, Angelica. Du saugst ihn aus, oder du bekommst meinen Zorn zu spüren.“ Und dann ließ er mich los und setzte sich in Bewegung. Ich sah den Jugendlichen, einen Knaben, schlotternd und mit großen Augen in der Dunkelheit kauern. Und ich konnte nicht zulassen, dass diese Kreatur ihm das Leben nahm. Ich konnte es nicht.
    Ich ergriff ein Stück Holz, das aus dem Feuer im Fass ragte. Das Ende, das ich hielt, brannte nicht, aber als ich es herauszog, sah ich die Flammen am anderen Ende züngeln. Mit einem leisen Knurren, das unmöglich von mir stammen konnte, sprang ich vorwärts und hob die Waffe mit meiner ganzen, neu erlangten Kraft.
    Doch nicht die Kraft meines Hiebes gab den Ausschlag. Das brennende Ende des Holzes traf den Kopf des Vampirs, er ging zu Boden. Ich bin jedoch sicher, dass der angerichtete Schaden ihm nichts anhaben konnte. Es lag an den Flammen. Die Glut schien auf ihn überzuspringen, das Feuer erfasste sein Haar, dann die Kleidung. Er sprang auf die Füße und kam zähnefletschend auf mich zugelaufen. Aber das Feuer … ich bekreuzigte mich, als ich sah, wie es ihn einhüllte. Die Flammen breiteten sich so schnell aus, als wäre er mit Benzin übergossen worden. Ich wich zurück, als er die Hände nach mir ausstreckte. Und dann war es vorbei. Er fiel zu Boden,

Weitere Kostenlose Bücher