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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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Dummer Gedanke. Sie war kein Engel.
    „Ich bin Jameson.“
    Sie erreichten den Fahrstuhl zum Krematorium. Um diese nächtliche Stunde sollte sich dort eigentlich niemand aufhalten. Das DPI riskierte ganz sicher nicht, dass eins ihrer Opfer erwachte – durch die Nacht belebt –, wenn sie es in den Ofen schoben, und sich auf die Angestellten stürzte. Sie traten ein, die Tür glitt hinter ihnen zu. „Was ist dir zugestoßen?“, fragte er, als sich die Kabine in Bewegung setzte. „Wieso warst du halb verhungert in diesem leer stehenden Gebäude?“
    Sie senkte den Kopf und schüttelte ihn langsam. „Ich war wahnsinnig. Nicht bei Sinnen in jener Nacht.“
    Die Kabine kam plötzlich ruckartig zum Stillstand. Angelica wurde gegen ihn geschleudert, er nahm sie, ohne nachzudenken, in die Arme.
    „Mir tut leid, was ich dir angetan habe“, flüsterte sie. „Durch meine Schuld bist du jetzt …“
    „Was, Angelica? Ein Monster? Dafür hältst du mich doch, oder nicht?“
    Sie blickte zu ihm hoch, sah ihn fragend an, als die Türen aufgingen. Ja, jetzt musste sie wissen, dass er ihre Gedanken lesen konnte.
    „Und damit du’s weißt, dein Plan, wegzulaufen, wenn wir draußen sind, wird so nicht funktionieren.“
    „Was?“
    Er nahm ihren Arm, führte sie aus dem Fahrstuhl und zum Ausgang hinaus. Draußen hielten sich Wachen auf, aber er blieb dicht in den Schatten und nutzte Bäume und Sträucher als Deckung. Hinter einem machte er halt, außer Hörweite der Wachen, und wandte sich ihr wieder zu. „Dein Erzeuger hätte dich besser unterweisen sollen, Angelica. Vampire können Gedanken lesen. Wie ich damals deine gelesen habe. Selbst ein ganz junger Vampir sollte seine Gedanken abschirmen lernen. Du läufst nicht weg, wenn wir hier raus sind. Du wirst mein Kind nicht suchen und an einen Ort bringen, wo ich es nie zu Gesicht bekomme. Das lasse ich nicht zu.“
    „Du kannst mich nicht aufhalten“, flüsterte sie. „Ich finde sie. Ich habe eine Verbindung zu meiner Kleinen, du nicht.“
    „Und darum“, sagte Jameson, als die Wachen in der Ferne sich umdrehten und er weiterging, ihren Arm immer noch fest im Griff, „habe ich beschlossen, dass du bei mir bleibst. An meiner Seite, Angelica, bis wir unsere Tochter gefunden haben. Als meine Gefangene, wenn es sein muss.“
    „Nein.“
    „Doch“, sagte er und zerrte sie hastig über eine freie Fläche, ehe die Wachen sich wieder umdrehten. „Aber keine Bange. Ich bin nicht annähernd so ein Monster, wie du aus unerfindlichen Gründen zu glauben scheinst.“
    Ich ging mit ihm, weil ich keine andere Wahl hatte. Ich war immer noch schwach und hilflos und er offensichtlich sehr viel stärker als ich. Ich wusste nichts von meinen eigenen Fähigkeiten. Von meinen Kräften und meiner Macht, von den übermenschlichen neuen Sinnen. Ich wusste nur, dass ich im Handumdrehen sterben würde, wenn ich mit Feuer in Berührung kam wie mein Erzeuger. Und dass Hunger mich schwächte und so gut wie handlungsunfähig machte. Ich ging davon aus, dass ich auch daran sterben konnte, aber mit Sicherheit wusste ich das natürlich nicht.
    Darum folgte ich diesem Fremden. Diesem Vampir. Diesem Jameson, der sich als Vater meines Kindes ausgab. Ich ging mit ihm in der festen Überzeugung, dass ich vom Regen in die Traufe geraten war, und schwor mir insgeheim, dass ich fliehen würde, wenn ich wieder zu Kräften kam. Wenn er meine Gedanken lesen konnte, nur zu. Ich würde trotzdem bei erster sich bietender Gelegenheit weglaufen, so schnell und weit ich konnte.
    Ich fürchtete mich vor ihm. Als ich seine Haut mit dem Mund berührte, kam eine Wildheit über mich. Ein Wahnsinn, der mir viel intensiver schien als bei unserer ersten Begegnung. Eine Leidenschaft, die wie die Hölle selbst brannte und mich gleichzeitig schwächte. Ich schämte mich für die Gefühle, die ich trotz meiner Angst für diesen Mann empfand. Und noch mehr Angst machte mir die Erkenntnis, dass er ebenso von mir angezogen wurde.
    Ich musste ihm entkommen.
    Doch zunächst musste ich zu Kräften kommen und meine neuen Fähigkeiten kennenlernen. Sie würden mir helfen, meine Tochter zu retten und sie vor diesen Tieren zu schützen, die sie gefangen hielten.
    Jameson war jung, sicher nicht viel älter als dreißig. Als ich ihn kennenlernte, war er ein Mensch gewesen. Das stand fest. Kein Vampir hätte zugelassen, dass ich das tat, was ich Jameson angetan hatte. Und er war kräftig. Breitschultrig und sehr groß. Dennoch würde

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