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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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drehte er ihr Gesicht an seinen Hals, hielt ihren Hinterkopf mit einer Hand und stützte sie. Teilte sein Blut mit einem anderen Vampir … obwohl man ihn vor dem Band gewarnt hatte, das dabei entstehen konnte. Dem Verlangen, das vielleicht geweckt wurde. Der Sehnsucht, die sich in seiner Seele einnisten würde wie eine Sucht. Aber daran ließ sich nichts ändern. Er musste es für seine Tochter tun.
    Sie wandte das Gesicht ab.
    „Du weißt so gut wie ich, was notwendig ist. Tu es.“
    „Ich kann nicht“, flüsterte sie. Schimmerten da Tränen auf ihren Wangen?
    „Tu es, verdammt!“ Und er drehte sie wieder zu sich und presste ihr Gesicht fest an seinen Hals.
    Sie öffnete den Mund, bohrte die Eckzähne tief in sein Fleisch, und Jameson holte tief und erschauernd Luft. Er spürte die Bewegungen ihres Mundes, anfangs zaghaft, dann schneller und fester, als der Blutrausch über sie kam. Er spürte jede Bewegung ihrer Lippen, jeden Schlag der gierigen kleinen Zunge. Und Lust strömte durch ihn. Schwächte ihn. Er erschauerte, sank auf die Knie und drückte sie dennoch immer weiter an sich. Sein Herz schlug schneller, der Atem wurde hektisch und flach. Sicher, Roland hatte ihn gewarnt, wie dicht Blutrausch und sexuelle Lust bei seiner Art zusammenlagen. Wie beide miteinander verschmolzen, bis man sie kaum noch voneinander unterscheiden konnte. Aber dies war tausendmal stärker als alles, was er vorher erlebt hatte. Und er hatte es sich niemals so vorgestellt. Nicht so. Nicht diesen Drang, sie noch näher an sich zu ziehen. Mit ihr anzustellen, was sie mit ihm anstellte. Sie zu nehmen, auf jede erdenkliche Weise, die er kannte, bis, bis …
    Sie hob den Kopf, blinzelte und sah benommen drein. Er hatte ihr nicht sagen müssen, dass sie aufhören sollte. Das hatte sie von ganz allein getan. Und in ihren Augen stand deutlich geschrieben, dass sie dasselbe Verlangen verspürt hatte wie er.
    Wie er … noch immer?
    Er schluckte heftig, stand auf, ließ sie zu Boden sinken, obwohl sie immer noch vor Hunger zitterte. Ihr Gesicht war nicht mehr kreidebleich, es nahm allmählich eine gesündere Farbe an. Ein Leuchten kam in ihre Augen, mit jeder Sekunde, die er hineinsah, wurde es intensiver. Ihr stumpfes Haar bekam neuen Glanz, die hohlen Wangen wurden vor seinen Augen voller.
    Herrgott, sie war so schön.
    Er verdrängte den Gedanken. Dafür war keine Zeit. Nicht jetzt.
    „Ich … fühle mich stärker“, flüsterte sie, aber der Schock des Verlangens, das sie miteinander verband, stand ihr noch deutlich ins Gesicht geschrieben. „Danke.“ Sie war bestürzt. Sie hatte keine Ahnung, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte, und war immer noch vollkommen schockiert über die Gefühle, die momentan in ihr tobten.
    Er sah sie an, nickte und holte den zweiten Laborkittel heraus, den er mitgebracht hatte. Er hielt ihn, damit sie hineinschlüpfen konnte; sie drehte sich um, schwankte, wäre beinahe gefallen, erlangte jedoch das Gleichgewicht wieder und schob die Arme in die Ärmel. Jetzt machte nicht die Unterernährung sie schwach, sondern Begierde. Und das stieß sie ab. Jameson sah ihr einen Moment zu, wie sie sich an den Knöpfen zu schaffen machte, dann verlor er die Geduld, bückte sich, knöpfte sie selbst zu, bis das dünne weiße Nachthemd, das sie als einziges Kleidungsstück trug, nicht mehr zu sehen war.
    Danach nahm er die Chirurgenmaske und die Papierhaube zur Hand, ein unförmiges Ding mit Gummiband. Rasch und zielstrebig band er ihr langes, verfilztes Haar zu einem Knoten, zog die Haube darüber und schob vereinzelte Strähnen hinein.
    „Das muss genügen“, sagte er, trat zurück, betrachtete sie und registrierte die leuchtenden Augen. „Komm.“ Er nahm wieder ihre Hand, zog sie aus der Kammer in den Flur. Sie fürchtete sich vor ihm, das war ihr deutlich anzumerken. Er hatte es von Anfang an gespürt. Kein Wunder. Sicherlich rechnete sie mit einer Art „Vergeltung“. Aber momentan fürchtete sie die anderen, die sich hier aufhielten, noch mehr. Ihre Augen waren groß vor Angst, sie zitterte.
    Aus einem ihm selbst unerklärlichen Grund drückte er ihre Hand. Vielleicht, um ihr die Angst zu nehmen. Die Hand war kalt und zitterte. Sie zog sie nicht weg. „Ich kenne deinen Namen nicht“, sagte er. „Sonderbar, nicht? Wir haben ein Kind zusammen und wissen gar nichts voneinander.“
    „Ich bin Angelica“, flüsterte sie.
    Angelica. Angel. Engel, dachte er. Ein dunkler, furchtsamer, einsamer Engel .

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