Erinnerungen der Nacht
Freddy auch kein gewöhnlicher Mensch. Als sie sah, dass er die Autotüren abgesperrt hatte, nickte sie ihm aufmunternd zu und lief hastig über den Asphalt zur Eingangstür.
Das unheilvolle Kribbeln wurde stärker, und mit ihm wuchs die Angst um Roland und den Jungen. Ihre hastigen Schritte tönten laut über den Parkplatz und dann den Bürgersteig. Sie lief um eine Ecke und griff nach der Tür.
Sie wurde von einem kräftigen Arm gepackt, aus dem Gleichgewicht gebracht und rückwärts in die Schatten gezerrt.
Narr! Bildete sich dieser Mensch wirklich ein, er könnte mit ihr kämpfen und gewinnen?
Sie machte sich bereit und wollte sich befreien, herumwirbeln und dem Idioten den Hals umdrehen, als Schmerzen wie ein gellender Schrei durch ihr Bewusstsein schossen. Die Klinge bohrte sich in ihre Taille, aber gewiss nur ein kleiner Schnitt. Doch die rasenden Schmerzen lähmten sie, und als sie spürte, dass sie sich wieder bewegen konnte, ließ die Stimme sie erstarren.
„Ich kenne deine Schwächen, Rhiannon. Blutverlust, direktes Sonnenlicht, direkter Kontakt deiner Haut mit offenem Feuer … und Schmerzen.“ Die Klinge wurde an ihren Brustkasten gedrückt, aber nicht hineingebohrt. „Schmerz“, fuhr er mit dicht an ihrem Ohr krächzender Stimme fort. „Je schlimmer er ist, desto mehr schwächt er dich. Ist es nicht so?“ Die Spitze der Klinge pikste in ihre empfindliche Haut. „Und je älter ein Vampir ist, desto ausgeprägter empfindet er den Schmerz.“ Mehr Druck wurde auf die Klinge ausgeübt. Ein Rinnsal Blut floss unter der Satinbluse über ihren Bauch. Sie sog Luft zwischen den Zähnen ein. „Das muss dich doch wahnsinnig machen, oder nicht?“
Sie knirschte mit den Zähnen und zwang sich zu sprechen. „Was wollen Sie?“
Wieder pikste das Messer, aber diesmal wurde es auch gedreht. Sie schrie auf, dann biss sie sich auf die Lippen. Sie würde Roland erst rufen, wenn sie wusste, mit wem sie es zu tun hatte. „Was glaubst du denn?“, krächzte er.
Es war nicht Curtis Rogers. Es war niemand, dem sie bisher schon einmal begegnet wäre. Für einen Menschen war er ausnehmend kräftig und ziemlich grausam. Die erste Verletzung, die an ihrer Seite, pochte immer noch vor Schmerzen, ganz zu schweigen davon, dass sie nach wie vor blutete. Sie spürte, wie sie schwächer wurde. Bei einer Vampirin in Rhiannons Alter konnte schon ein geringer Blutverlust das Ende bedeuten. Sie brauchte Hilfe. Verdammt, wie sie es hasste, das zuzugeben. Sie war stets mehr als imstande gewesen, allein mit ihren Widersachern fertig zu werden. Darum machte es sie besonders wütend, dass dieser Mensch ihre Schwächen so klar erkannt hatte und so geschickt gegen sie verwendete.
Ihre Knie fingen an zu zittern, sie hielt sie eisern still. „Wer sind Sie?“, knurrte sie, „und warum kokettieren Sie so begierig mit dem Tod?“
„Nicht mit dem Tod, Rhiannon. Mit dem Leben. Dem ewigen Leben. Unsterblichkeit. Du hast sie, ich will sie.“
Der Mann war verrückt! „Sie haben keine Ahnung, was Sie da reden. Sie werden nicht …“ Sie machte eine Pause, als ein plötzlicher Schwindelanfall sie überkam. Blinzelnd riss sie sich zusammen. „Lassen Sie mich los. Ich muss mich … setzen.“ Sie drückte die freie Hand auf die Wunde an ihrer Seite und hoffte, dass sie die Blutung wenigstens ein wenig eindämmen konnte.
„Wenn ich Sie loslasse, Lady, haben Sie vielleicht gerade noch genug Kraft, mich zu töten. Das ist nicht mein Ziel.“
„Wenn ich sterbe, ist auch Ihre Chance vertan, zu bekommen, was Sie wollen.“
„Eigentlich nicht. Es gibt noch andere.“ Er packte sie fester. Die Messerspitze wurde tiefer in ihr Fleisch gebohrt und herumgedreht. Sie atmete jetzt schneller, ein kurzes, abgehacktes Keuchen. Eine Reaktion auf die Schmerzen. Tränen nahmen ihr die Sicht. „Gib mir, was ich will, dann lasse ich dich gehen.“
„Und wenn ich mich weigere, lassen Sie mich sterben?“ Sie brachte die Worte nur langsam und nuschelnd heraus. „Dann wähle ich den Tod.“
„Nicht den Tod, Rhiannon. Etwas viel Schlimmeres. Hier wimmelt es heute Abend von Agenten des DPI, die auf den Jungen warten. Aber für die wärst du eine fettere Beute, glaubst du nicht auch? Die Vampirin, die vor Jahren ihren höchstrangigen Wissenschaftler ermordet hat. Ich muss nur einen Schrei ausstoßen, dann kommen sie gelaufen. Du bist zu schwach, gegen sie zu kämpfen. Und du wirst mit jedem Augenblick schwächer.“
Sie machte die Augen zu und
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