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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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damit?“
    „Er ist gegangen. Weggelaufen.“ Eric griff in seine Tasche und drückte Roland ein zusammengelegtes Stück Papier in die Hand. „Das haben wir in seinem Zimmer gefunden.“
    Roland sah wieder in die Richtung, in die Rhiannon gegangen war. Jetzt hörte er nichts mehr. Mit suchenden Fingern tastete er nach ihrem Verstand, doch sie schirmte ihn ab.
    „Ich gehe“, sagte Eric leise. „Aber lies den verdammten Brief, und dann treffen wir uns im Schloss wieder.“
    Roland sah ihm nach, dann strich er das Blatt Papier mit zitternden Händen glatt und las:
    Liebe Tamara,
    ich muss gehen. Bitte versucht nicht, mich zu finden. Ich bin jetzt ein Mann und kann selbst auf mich aufpassen. Aber solange ich bei Roland bin, glaubt er, er müsste mich beschützen. Jetzt wiederholt sich alles. Curtis ist wieder da. Das DPI macht alle wahnsinnig, und das nur wegen mir. Es war meine Schuld, dass Rhiannon nach dem Spiel mit dem Messer angegriffen wurde. Und ich weiß, es war meine Schuld, dass sie gestern Nacht wieder verletzt wurde. Ich habe Dich und Eric reden hören. Ich weiß nicht, was passiert ist, nur dass Roland ihr irgendwie wehgetan hat und es an der dummen Droge liegt, die er genommen hat, damit er wach bleibt. Ohne mich hätte er sie nicht genommen. Und er hätte sie nicht nehmen sollen. Selbst ich habe Verstand genug, mich nicht auf Drogen einzulassen.
    Sagt Eric, er soll von den Chemikalien lassen. Ständig versucht er zu ändern, was er ist, was Ihr alle seid. Sagt ihm, ich finde, Ihr seid so perfekt, wie man es sich nur vorstellen kann. Besser als alle normalen Menschen, die ich kenne, meine Mom ausgenommen.
    Macht Euch keine Sorgen, dass mich die DPI-Leute erwischen könnten. Ich bin nicht dumm. Ich kann vorsichtig sein. Ich schreibe, wenn ich herausgefunden habe, wo ich bleiben und mein Leben wieder auf die Reihe kriegen möchte, damit Ihr wisst, dass es mir gut geht.
    Ich habe Euch alle wirklich sehr lieb. Alle, aber besonders Dich, Tam. Du warst wie eine ältere Schwester für mich. Ich werde Dich vermissen, aber ich muss das tun. Versuch bitte, es zu verstehen.
    Alles Liebe,
    Jamey
    Roland schloss langsam die Augen und zerknüllte das Blatt Papier in der Faust. „Verdammt.“
    Sie erstarrte, als sie die Schritte hörte, aber es war nur Eric. Sie schluckte die bittere Galle in ihrem Hals und formte ihr Gesicht zu einer emotionslosen Maske. Nicht um alles in der Welt würde sie Eric sehen lassen, dass ihr das Herz gebrochen worden war. Er würde es nur Roland sagen. Lieber würde sie sterben, als ihn sehen lassen, wie sehr er sie gekränkt hatte.
    Sein Fluch. Vielleicht hatte er damit ja recht. Sie war ihres Vaters Fluch gewesen und jetzt Rolands. Von den beiden einzigen Männern auf der Welt abgelehnt, deren Anerkennung sie gewollt hatte. Von den beiden einzigen Männern verstoßen, die sie je geliebt hatte.
    Geliebt?
    Pah, sie liebte Roland nicht. Sie war nicht töricht genug, sich gefühlsmäßig einzulassen, wo es doch um eine rein körperliche Anziehung ging. Sie hatte einmal und nur einmal geliebt. Sie hatte ihren Vater geliebt, und dessen Zurückweisung hatte sie gelehrt, nie wieder zu lieben.
    Als Eric hastig näher kam, schaute sie auf. Sie wartete, bis er bei ihr war.
    „Bist du wohlauf?“
    Sie hob die Hände und sah an sich hinab. „Sieht ganz so aus, oder nicht?“
    „Dir war schlecht. Ich habe es gehört …“
    „Trockenes Würgen. Eine Reaktion auf zu viel Anstrengung nach allem … nach allem, was passiert ist. Mehr nicht, das versichere ich dir.“
    Er kniff die Augen zusammen, und da wusste sie, dass er ihr nicht glaubte. Sie rechnete ihm hoch an, dass er nicht weiterbohrte.
    „Los, sag mir, was passiert ist. Du bist doch nicht in den Wald gerannt, um dich nach meinem Befinden zu erkundigen.“
    „Nein, das nicht. Aber vielleicht hätte ich das tun sollen.“ Er nahm ihre Hände und betrachtete ihr Gesicht mit besorgten Blicken. „Komm mit mir. Ich erkläre dir unterwegs alles.“
    Das tat er, und als sie den großen Saal betraten, wusste Rhiannon, wie ernst die Lage war. So entschlossen Jamey auch sein mochte, es würde ihm unmöglich gelingen, das DPI an der Nase herumzuführen oder ihm zu entkommen. Ihre Sorge um Jamey wirkte als Puffer gegen Rolands Geringschätzung. Sie hatte etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte.
    Tamara ging mit tränenfeuchtem Gesicht und blutunterlaufenen Augen auf und ab. Als sie eintraten, wirbelte sie zur Tür herum. Ihre Enttäuschung, als

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