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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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deutsche Zeitungen. Aber erzähle von dir, von deiner Arbeit.«
    »Die kennst du doch, wenn du deutsche Zeitungen liest.«
    »Die Begebenheiten. Nicht ihr Klima.«
    Wie sie jetzt dasitzt und ihn anschaut, entspricht sie der Daniela seiner Vorstellung vollkommen, einer, wie er wohl weiß, etwas altmodischen Vorstellung von der Frau, die fragend zum Manne aufblickt. Da macht Erklären Spaß, da fällt ihm was ein. »Stell dir vor, du fliegst im Sommer nach Capri. Jeden Tag kaufst du dir auf der Piazza deine gewohnte Zeitung und liest sie gründlich. Nach einer Woche wirst du feststellen, daß du sie anders liest als zu Hause. Wichtigkeiten fangen an, dich zu amüsieren. Nach vier Wochen weißt du noch, was los ist, aber nicht mehr, wie es empfunden wird. Und ich bin seit zehn Jahren weg.« Daniela nickt abwesend. Sie ist plötzlich sehr müde, will sich aber nichts anmerken lassen, wird versuchen, den toten Punkt zu überspielen, indem sie erzählt, was er von ihr wissen und wovon sie bei ihm eigentlich ausruhen wollte. Bis er aufgegessen hat, erzählt sie ihm. Gelegentlich unterbricht er mit einer Frage. »Und was hast du für ein — wie heißt das schöne Wort — für ein Anliegen?«
    »Du warst tatsächlich lange weg«, sagt sie, »damals hatten wir noch Anliegen. Dann kam das... Engagement . Dann hieß es Mehr Demokratie! Danach drehte sich alles um Reformen. Und so fort.«
    »Abwechslungsreich wie in der Damenmode«, sagt er und wiederholt seine Frage, die er schon im Taxi gestellt hat, zwischen Wahlversammlung und Hotel: »Wie kommt eine so verspielte Person wie du ausgerechnet zur Politik?«
    »Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen. Das wird man nicht, da ist man auf einmal dabei. Erinnerst du dich an die Fotoserie, die ich damals gemacht habe: Damen der Gesellschaft in ihrem Heim , Lilly und so weiter?«
    Kauend lobt er:
    »Das war eine Beschäftigung für dich!«
    »Nun ja. Anschließend bekam ich den Auftrag, Diplomatenfrauen zu fotografieren. Immer Tee mit Hut und Wohltätigkeitsgeschwätz mich hat das rasend gemacht. Ich sah, wo sie wirklich hätten helfen können und wußte, wie man rankommt, ich saß ja in Bonn, die Politiker wären mir erreichbar. Und die sind doch sehr viel geschickter, als man denkt. Ein Wort von Verständnis, von Interesse — ich kam jedenfalls als Parteimitglied nach Hause.«
    Lukas gibt dem vorbeigehenden Kellner seinen Teller.
    »Und so ist dann aus dem Anliegen ein Engagement und schließlich ein Beruf geworden?«
    »Ein sehr ernsthafter Beruf.«
    »Übernimmst du dich da nicht ein bißchen?«
    »Natürlich. Immer.«
    »Dann ist das aber der falsche Beruf für dich!«
    Sie lächelt.
    »Malt Männchen und will mitreden!«
    Die freundschaftliche Frozzelei verfängt nicht bei ihm.
    »Jedesmal, wenn ich einen Politiker erlebe, denke ich: Wie hält er das aus? Diese Hetze, diese Belastung, den Ärger, die Intrigen. Wo sitzt der Motor, der ihn treibt? Denn sie halten es alle aus, bleiben in den Sielen bis zum Infarkt. Weil sie im Mittelpunkt stehen, Macht haben.«
    »Du hältst mich also für eine ehrgeizbesessene Masochistin?«
    Sein Ernst wirkt täuschend echt.
    »Macht macht Masochisten ihrem Ehrgeiz ebenbürtig!«
    »Ein hübsches Sätzchen.« Daniela dreht das Glas in der Hand. »Sag mal, ganz was anderes: Hast du immer noch so schöne Füße?«
    Idiot! bezichtigt er sich. Natürlich will sie nicht über Politik reden! Er versucht sich die gelobten Extremitäten vorzustellen, kann nichts daran finden.
    »Hatte ich schöne Füße?«
    »Erinnerst du dich an das Sommerhaus an dem See, wo wir mal wären, die ganze Clique? Da sind sie mir aufgefallen.« Er hält den vorbeigehenden Kellner auf, bestellt zwei Port and Brandy. Daniela hat nichts dagegen.
    »Soso«, sagt er, »dann sind die Füße also das einzige, was dir an mir aufgefallen ist.«
    Sie schüttelt den Kopf, fühlt sich wieder besser.
    »Ich wollte damit sagen, daß du mir überhaupt gefallen hast. Ich wollte es nur nicht so direkt sagen.« Sie reden mit Blicken weiter, bis es zu seiner Frage kommt:
    »Warum haben wir eigentlich nie miteinander geschlafen?«
    Daniela scheint es zu wissen.
    »Du warst immer in festen Händen. Und von Haus aus treu.«
    »Tatsächlich?«
    »Aus Bequemlichkeit, mein Lieber.«
    Er versucht sich, sich vorzustellen.
    »Vielleicht war ich schüchtern?«
    »Das glaub ich weniger.«
    »Dann weiß ich auch nicht, wie ich war.«
    »Ich habe alles versucht damals. Aber ich konnte an- und

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