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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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und darauf ein kleineres ovales.
    »Was du dir alles antust!«
    »Ja, das tu ich mir alles an!« sagt sie ein wenig gereizt, kommt ihm vor, als müsse sie sich selbst Zureden. »Unter anderem tu ich mir das an, damit euch Männern eure Selbstherrlichkeit ein bißchen vergeht. Jawohl! Du brauchst gar nicht so anmaßend zu grinsen! Eine Frau kann nicht allein in ein Lokal gehen; eine Frau kann nicht nachts allein durch die Stadt gehen; eine Frau kann keinen Mann ansprechen, muß sich aber anpöbeln lassen; ein und dieselbe Arbeit wird der Frau schlechter bezahlt als dem Mann; nimmt eine Frau einen Mann mit nach Haus, leidet ihr Ruf, während im umgekehrten Fall sein Renommee steigt; eine Frau darf keinen Heiratsantrag machen, eine Frau kann nicht ins Freudenhaus gehen, schon weil’s gar keines gibt, und solange sie das alles nicht kann, müssen Frauen die Interessen der Frauen vertreten, sonst ändert sich das nie!«
    Ruhig schaut er sie an.
    »Während deiner Rede hat jemand gesagt, du seist zu schade für diesen Job. Ich finde das auch. Du bist für einen Mann gedacht, nicht für das ganze Volk.« Ihr Kuß trifft ihn an der Kinnlade.
    »Eigentlich möchte ich dir ins Gesicht springen. Aber ich fasse es als Liebeserklärung auf und springe in ein Taxi. Gute Nacht.«

Vierter Tag
    Als habe er im Traum erkannt, wie unwichtig seine Anwesenheit auf der Vormittagssitzung sein würde, hatte Lukas verschlafen, lag noch im Bett, während die Männchen frühstückten, und in der Badewanne, als sie schon tagten. Das bedeutete: keinen grinsenden van der Vleuten, kein aufgebrachtes Einzelmännchen, keinen Rauch. Pläne für schöne Stunden reifen erst in letzter Minute, wenn der Widerstand gegen die bevorstehenden Pflichten ins Schöpferische umschlagt und die Idee gebiert, die es möglich macht; zu passen, ohne zu brüskieren oder sich wirtschaftlichen Schaden einzuhandeln. Erst in letzter Minute ist klar, wie das Wetter sein wird und was man jetzt lieber täte als das, was man soll.
    Ein Blick in die Lücke des Hofgevierts: die Sonne schien.
    Lukas rasierte sich sorgfältig, kleidete sich hell und trat hinaus auf den dämmrigen Flur. Vor seinen Füßen, brummte ein Hindernis; der Staubsaugerschlauch lief ins Zimmer gegenüber. Ein Koffer stand dort, fremder Privatkram auf der Kommode, über der Frühstückshörnchenlehne des Sessels (hier in umgekehrter Farbkombination) ein Morgenrock. Die äußere Tür des Zimmers wurde von einem Rollwagen voller Putzmittel offengehalten, und auf dem Teppich erinnerte ein Stapel Bettwäsche daran, daß Hotels Haushalte sind. Im Lift, mit dem er hinunterschwebte, hing die süße Frische eines Parfüms, wie es Damen über sechzig bevorzugen; in der Halle kaufte er eine Zeitung und betrat den Saal.
    Um diese Zeit frühstückten die Selbstbezahler, Ehe- und Liebespaare, mit Eiern im Glas, Cornflakes, Grapefruit und Schinken, Stadtpläne neben dem Teller, Postkarten, Zimmerschlüssel, Belichtungsmesser. Bei einer fünfköpfigen Familie dozierte ein Ober, und alle schauten erstaunt-erschreckt zu ihm auf, wie zu einem Fremdenführer, der gerade berichtet, daß die Hinrichtungen seinerzeit genau hier an dieser Stelle vollstreckt wurden.
    Der Gast von vierhundertelf fand einen Platz, nannte seine Wünsche, hinterlegte die Zeitung, ging zum Konferenzsaal, öffnete die Tür einen Spalt und horchte hinein. Er hörte Strukturveränderung, Zielvorstellung, Innovationspotential. Nach Verbrauchersättigung kehrte er an den Frühstückstisch zurück und suchte im Lokalteil der Zeitung einen Bericht über Danielas Rede. Vergeblich.
    Gedämpftes Glockenspiel kommt näher: der olivhäutige Page mit der M onst ranz der Telefonzentrale. Nach allen Seiten dreht er die Tafel, Telefon für Herrn... Telefon für Herrn...
    Telefon für Herrn Bomberg.
    Vielleicht ein Hörfehler. Oder sitzt Andrea wieder draußen? Eine amerikanische Reisegesellschaft hielt die Halle besetzt, arglos laut und beneidenswert selbstsicher, die Frauen mit Klarsichtfolien über Frisur und Schuhen (wieso, auf der Hofseite schien doch die Sonne), die Männer mit gleichfalls durchsichtigen Präservativen über den Hüten, kameraschweren Schultern und kaum einer ohne Zigarette.
    In der Telefonkabine stand Pflaumen-Feigen-Honig-Aroma sirupdick.
    »Hallo.«
    »Hallo. Wo Sie extra wegen meiner Mutter gekommen sind, wollt ich Ihnen nur sagen: Sie ist immer noch nicht da.«
    »Andrea! Sie lassen sich doch immer was Neues einfallen.« Er sagt

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