Erknntnisse eines etablierten Herrn
ausziehen, was ich wollte, du hast es nicht einmal bemerkt.«
»Das sag nicht, Daniela! Sonst hätt ich dich nie in so lebendiger Erinnerung behalten.«
»Übernimm dich nicht!«
Lukas schüttelt den Kopf, als dächte er nach.
»Diese Jugend, für die du dich so stark machst, ist ein schrecklicher Zustand. Man ist einfach blind!«
»So jung warst du gar nicht mehr.«
»Ich muß ein Vollidiot gewesen sein!« stellt er fest. Daniela tritt den Beweis an:
»Einmal, dacht ich: Jetzt hat er’s gemerkt — draußen in dem Sommerhaus. Es war dicke Luft wegen des Mädchens von Pauli. Da hast du am Abend eine Hymne an die reife Frau losgelassen, ich weiß den Satz noch wie heute: Vollendung beginnt bei fünfunddreißig! — hast du gesagt, und ich hab gedacht, ich hätte dich dazu inspiriert.«
»Hast du auch höchstwahrscheinlich.«
»Ich bin sofort ins Bad, hab mich angemalt, aber bis ich wiederkam, hattest du Sylvia im Arm, in deiner schüchternen Art.«
»Das war doch viel später!« will er sich erinnern.
»Am selben Abend! Am nächsten Tag kam ja schon deine Prinzessin .«
»So was! Die hätte doch wirklich noch vierundzwanzig Stunden warten können!«
Daniela lacht.
»Sie wohnt bei mir um die Ecke. Ihre Mutter hat einen Waschsalon. «
Sein Erstaunen ist so groß, daß es auf die Kaumuskeln wirkt; offen hängt der Mund, bis er wiederholt: »Hoheit einen Waschsalon? Bist du sicher?«
»Die beiden gehören zwar nicht zu meinem Wahlkreis, aber ich halte losen Kontakt. Wir haben viele Wähler beim Adel.«
Lukas kann es noch nicht fassen.
»Hoheit einen Waschsalon! Dann hat sich noch mehr verändert, als ich dachte.« —
Die Port and Brandys kommen, sie trinken einander zu.
»Wie sieht eigentlich dein Privatleben aus?« fragte er sie, »du hast noch gar nichts von dir erzählt.«
»Du meinst, ob ich wieder heiraten werde?«
»Nicht unbedingt. So viel Zeit hast du doch gar nicht übrig, daß es für einen Ehemann reicht, oder?«
»Man kann nur eines von beiden«, sagte sie. »Ich habe mich für den Beruf entschieden.«
Sie sitzen am kleinen Tisch, vorgebeugt, einander zulächelnd, nachdenklich.
»Und zu was hast du dich entschieden?« fragt sie ihn.
»Zu gar nichts. Ich hätte zwar Zeit für eine Ehe, aber ich müßte erst eine geeignete Person finden, und das heißt bei mir: ohne zu suchen.«
Der Grill leert sich. Ein Ehepaar kommt vorbei. Sie voraus, behängt, stattlich. Er hinterher, Schlotterbäckchen, qualmend. Neben Lukas bleibt eine dicke Wolke Zigarrenrauchs in der Schwebe; er fächelt mit der Serviette.
»Dagegen könnte deine Partei auch mal was tun! Gegen die Luftverschmutzung durch Raucher.«
Daniela lacht kurz, wie aus Gedanken.
»Wenn das so einfach wär. Dummerweise ist auch alles das, was den Menschen schadet, mit Arbeitsplätzen verbunden.« Sie schaut auf ihre Armbanduhr. »Eines würde ich noch gern wissen: wie du heute denkst. Beginnt Vollendung immer noch bei fünfunddreißig oder mittlerweile bei siebzehn?«
»Ich stehe selbstverständlich zu dem, wozu du mich inspiriert hast.«
»Wie lange bleibst du?«
»An sich bin ich morgen fertig.«
»Du bleibst also noch.«
»Ich weiß nicht.«
»Wenn du einmal Anker geworfen hast, dauert’s immer!«
Lukas greift über den Tisch und drückt ihre Hand.
»Es ist sehr angenehm, so gut gekannt zu werden.«
»Dann sehen wir uns noch mal«, sagt sie und steht auf. »Ich möchte jetzt gehen.«
Er wartet. Vielleicht sagt sie: Komm noch mit auf einen Kaffee! Aber sie sagt nichts, und er sagt auch nichts, winkt dem Kellner, unterschreibt die Rechnung. Jetzt sieht sie müde aus. Hotelangestellte grüßen, sie grüßt zurück, aufmerksam, als sei jeder einer ihrer Wähler, und sieht dem Plakat-Bild ähnlich, das ihr nicht ähnlich sieht. Ärgerlich über seine Feststellung fragt er, nachdem die Drehtür sie in die frische Nachtluft hinausgeschaufelt hat:
»Hättest du nicht allen die Hand geben sollen?«
»Ich hab heute schon ein paar hundert Hände geschüttelt.«
Lukas holt sich ihre Rechte, betrachtet sie, streichelt sie.
»Dafür sieht sie aber noch sehr manierlich aus.« Die Vorstellung, daß sie Hunderte von Hände schüttelt, gefällt ihm nicht.
«Früher war sie oft geschwollen«, sagt Daniela, »und tat weh. Bis mir der Kanzler seinen Trick verraten hat: Er läßt den Daumen innen. Angelegt.«
Sie fühlt sich befremdlich an, die zur Probe entgegengestreckte Hand, wie zwei zusammengepackte Geschenke, ein flaches schmales
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