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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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sichtlich unter Schmerzen. ‘
    »Lukas! Wo kommst du denn her? Entschuldige, wenn ich mich nur langsam freue. Alles Schnelle tut mir weh. Aber seelisch bin ich noch spontan. Sehr sogar.«
    »Du hast dich überhaupt nicht verändert!« sagte Lukas und drückte die knochigen Hände, die sich ihm entgegenstreckten, ihn festhielten im Zangengriff des Einsamen. Es mußte lange her sein, daß sie einen Gast empfangen hatten. Beide sagten erste Sätze zum Wiedersehen, der jüngere Wolfgang unterbrach:
    »Du mußt lauter reden! Seine Ohren sind nicht mehr konzertreif.« Lukas besah sich den Bademantel, den der Ältere als Hausjacke zu Hose und Pullover trug. Am Schrank hing ein zweiter des gleichen Musters; damals, in dem Ferienhaus am See, hatten sie die Mäntel getragen, mit hochgezogenen Schultern, die Hände in die Taschen gestemmt, blaß und immer leicht fröstelnd. Aufmerksam betrachtete der ältere Wolf gang den Gast.
    »Und noch keinen Ansatz zur Glatze. Direkt unseriös! Aber wenigstens die Patina etwas älter. Das beruhigt mich einigermaßen. Du hast dir ja eine lange Jugend geleistet. Aber setz dich und erzähle!« Hier war nicht der Platz, von sich zu berichten. Lukas faßte sich kurz:
    »Ich male Männchen für die Presse, Zeichengeschichten, bin unverheiratet und lebe auf dem Land in unsicheren, aber geordneten Verhältnissen.«
    »Klingt begabt!« meinte der ältere Wolfgang zum jüngeren, der sich wieder an Lukas wandte:
    »Und wie wohnst du?«
    Wohnen war für sie ein Thema, die Miete vermutlich ein Problem. »Ich hab ein kleines Häuschen. Das riecht nach bürgerlichem Besitzerstolz, ich weiß. So ein Haus ist es nicht, sondern alt, schief und winzig, aber gemütlich.«
    Der weniger kahle Kahlere und der kahlere weniger Kahle sahen einander an, bis der weniger Kahle das Urteil verkündete: »Dann bist du gewissermaßen vom möblierten Herrn zum etablierten Herrn aufgestiegen.«
    »Wenn ihr darunter versteht, daß ich selbständig bin und die Vierzig überschritten habe, gebe ich euch recht.«
    Während der jüngere Wolfgang bei der Kochplatte zwischen den beiden Schränken mit Küchengerätschaft zu klappern begann, nahm der ältere Lukas am Arm.
    »Möchtest du fernsehen?«
    »Jetzt? Ist was Besonderes?«
    Der ältere Wolfgang schob ihn zum Fenster.
    »Und ob! Und in Farbe.«
    Lukas’ Blick fiel im wahrsten Wortsinn auf ein Penthouse, das seinerzeit hervorragend in Danielas Fotoserie gepaßt hätte. Auf der Terrasse stand allerlei Grün bis zur mittleren Christbaumhöhe, dazwischen trieb in lila Badeanzug und lila Kopftuch auf einem lila Badetuch eine Frau im Eskapadenalter Gymnastik.
    »Die Geschiedene von einem Industriellen«, erklärte der ältere Wolf gang. »Eine halbe Million hat das Dachnest gekostet. So haben wir doch ein bißchen Anteil an der großen Welt. Wenn du uns einen Voyeur wüßtest, wären wir dir sehr dankbar. Noch besser zwei. Wir vermieten die Fenster. Sehr teuer natürlich. Wir bieten dafür auch mehr als jedes Kino. Unser lila Täubchen hat nämlich sowohl einen Freund als auch eine Freundin.«
    »Spiegeleier oder Rühreier?« Der jüngere Wolf gang hatte eine Gartenschürze umgebunden, die Kochplatte glühte dienstbereit.
    »Was dir weniger Mühe macht«, rief Lukas ihm zu. Der Ältere war noch bei der Eskapadendame.
    »Wenn wir mal nicht mehr weiter wissen, erpressen wir sie!«
    »Dann müssen wir uns aber mit der Not beeilen!« brüllte der Jüngere herüber. »Sonst ist sie nicht mehr begehrenswert, wie man so schön sagt.«
    Mit beiden Händen winkte der Ältere ab, wie ein Ehepartner, der jede Antwort seit Jahren kennt.
    »Bei dem Bankkonto ist man immer begehrenswert! Und eine andere Lebensversicherung haben wir nicht.«
    Sie gingen zum Tisch in der linken Hälfte des Raums. Lukas schob dem Älteren den Stuhl zurecht, stützte ihn, bis er saß. »Ortswechsel wären noch nie meine Stärke!« scherzte er mit schmerzlich verzogenem Gesicht. Die Tischdecke war voller Flecken, eine Keksdose stand darauf, verbeult und mit aufgeklebtem Etikett, auf dem in sauberer Tintenschrift das Wort Tee zu lesen war.
    Wie möchten die Abende der beiden aussehen? Mit dem rheumaleidenden Mann wären sie an ihre Blümchentapete gebunden. Sie besaßen sehr viele Bücher; die Bretter der beiden Regale an den Stirnseiten des Doppelraums hingen durch wie morsche Stege; im einen entdeckte Lukas hinter der Couch ein kleines Radio.
    »Habt ihr auch ein Kontrastprogramm zu eurem lila Fernsehen?«

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