Erknntnisse eines etablierten Herrn
Männer seid immer enttäuscht, wenn wir was erreichen ohne euch. Ich habe meine Arbeit und ich arbeite gern.«
»Wirklich?«
Sie nickt entschieden.
»Und zwar lieber in der eigenen Firma als in der eigenen Wohnung.« Ein kurzes Lachen. »Bist du jetzt impotent?«
»Total.«
Er faßt sie kulinarisch an.
»Ich hab dir nie so ganz entsprochen«, sagt sie.
»So? Wie kommst du da drauf?«
Mit dem Fuß schließt sie die Tür des Kühlschranks, leckt ihre Fingerspitzen ab, lächelt ihn an.
»Führst du immer noch Tagebuch?«
»Das war einmal.«
»Wenn du weg warst, hab ich manchmal drin gelesen.« Sie hebt die Stimme und zitiert: »Der Schoß der Familie öffnet sich wie eine Erdspalte. Koffer packen. Es wird Zeit!«
»Das soll ich geschrieben haben?«
Sie nickt.
»Es war meine einzige Orientierung. Du hast ja nicht mit mir gesprochen.«
»Sollte ich ein so arroganter Bube gewesen sein?«
»Du warst froh, daß ich da war — nachts. Tags hast du dich mit mir geniert.«
»Stand das auch drin?«
»So ungefähr. Es hat mir sehr weh getan.«
»Dann entschuldige nachträglich.«
Er gibt ihr einen Kuß.
»Ich war dir zu aufdringlich, zu primitiv, ein geiles Stück, ich weiß. Und meine Eltern auch.«
»Das möchte ich bitte sofort richtigstellen: Weder deine Mutter noch dein Vater haben sich mir je in unsittlicher Absicht genähert. Gell?«
lachend boxt sie ihm auf die Brust.
»Ich meine, daß sie aufdringlich wären.«
»Sie haben es gut gemeint.«
»Du hast die Bequemlichkeit gemocht. Aber wir wären dir zu kleinbürgerlich.«
»Sei froh, daß alles so gekommen ist.« Sie geht nicht darauf ein.
»Und wie wär’s, wenn’s anders gekommen wär? Wenn wir geheiratet hätten?«
»Ja«, überlegt er, »dann hättest du das Haus nicht, wärst nicht unabhängig und ich wäre auch nicht unabhängig, sondern irgendwo beschäftigt als irgend was.«
»Vielleicht hätt’ ich das Haus doch?«
»Dann hätt’ ich mich scheiden lassen. Schon vor der Grundsteinlegung.«
Renate hat sich abgewandt, den Kühlschrank wieder geöffnet. Sie drückt ihm eine Flasche Champagner in die Hand. »Die trinken wir jetzt. Du bleibst doch?«
Mit Gläsern verläßt sie die gelbe Küche. Woher soll sie wissen, daß er Schaumwein nicht mag?
»Ich denke, laut Hausordnung darf hier kein Liebhaber übernachten?«
»So ist es.«
»Dann wär’ ich gewissermaßen der erste Mann...«
»Ich möchte wissen, wie es ist, wenn du da bist.«
Achtlos hat er den Drahtkorb geöffnet, vital schießt der Korken an die Decke. Da steht er, hält die überschäumende Flasche von sich und weiß nicht, warum er so gern bleibt. Ist es Bequemlichkeit, alte Anhänglichkeit oder doch Renate?
Sechster Tag
Auf Danielas Schoß herrschte Durcheinander. Während Lukas den Wagen fuhr, machte sie sich zurecht und prüfte die Ergebnisse in dem kleinen Spiegel an der heruntergeklappten Sonnenblende. »Stört’s dich?« fragte sie. »Aber so konnte ich länger schlafen.« Umsonst schüttelte er den Kopf, sie sah ihn nicht an.
»Mach nur weiter«, sagte er. »Es ist sehr interessant zu sehen, wie das Volk getäuscht wird.«
Daniela gab keinen Laut von sich und blieb in ihr Wahlkampf-Make-up vertieft.
Bei dem zügigen Landstraßentempo hatte Lukas anfangs Schwierigkeiten mit dem Rechtsverkehr. Jedesmal mußte er überlegen, bevor er handelte, bis sein Unterbewußtsein den deutschen Führerschein wiedererwarb. Es war ihm recht, Daniela beschäftigt zu sehen; er war es auch. Mit sich.
Genieße ich das Familiäre, wo es unverbindlich ist, wie heute nacht? Und jetzt fahre ich mit Daniela über Land. Eigentlich ist mir das alles zuviel.
Die Verkehrslage erlaubte einen Seitenblick. Es wurden mehrere daraus, denn, wie sie dasaß, mit beiden Händen am Hinterkopf das Haar ordnend, erinnerte sie ihn an Doreen. Auch Doreen hatte sich immer unterwegs zurechtgemacht, war immer zu spät dran, wenn sie irgendwo hin wollten.
»Du bist so still«, sagte Daniela. »Erzähl was von dir.«
»Ich fand es gerade nett, daß wir miteinander schweigen können.« Kosmetische Verrichtung verlängerte den gelobten Zustand. Wie ein Satellit umkreiste eine Sprühdose Danielas Haar, erforderte ihre volle Aufmerksamkeit und schmälerte die seine als Fahrer. An einer bestimmten Stelle der Umlaufbahn mußte er jedesmal für Sekunden die Augen zukneifen, egal, was sich im Verkehr gerade begab. Nachdem der Satellit die Umlaufbahn verlassen hatte und in einem großen Ledersack auf
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