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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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deutsche Art fraulich klang; in Lukas machte er Kindheitserinnerungen mobil, rief insgeheim zur Fahne. Nur Dutt und Mutterkreuz fehlten und die Frauenschaftsführerin wäre komplett gewesen.
    Sie tat ihm leid. Frauen, die Parolen ausgeben, haben es nicht leicht, sind nicht unbedingt auf der Höhe ihres Liebreizes, eher von jenem gebremsten Charme, der Gute-Werke-Profis geistlicher Organisationen eigen ist. Doch dann rutschte ihr plötzlich eine Bewegung aus, ein Griff nach dem Haar, eine Geste mit der Hand, daß der auch hier sich wieder abseits von den lokalen Parteifunktionären haltende >Chauffeur< Glanz in die Augen bekam.
    Wie Doreen! Wie Doreen! Jetzt die Kopfdrehung zur Seite. Daß ihm da$ nicht neulich schon aufgefallen ist?
    Auf der Weiterfahrt kamen sie zum alten Thema zurück.
    »Deine Einstellung zur Ehe hört man aus deinen Reden nicht unbedingt heraus.«
    »Das wär’ auch noch schöner! Wir machen ja keine Anti-Familienpolitik.«
    Zärtlich tätschelte er ihre Hand.
    »Du vertrittst aber sehr wacker, was du nicht vertrittst!«
    Wieder schwiegen sie, wie zu Beginn der Fahrt. Bis Daniela sich umdrehte, auf den Sitz kniete und aus dem Ledersack ein wolliges, buntes Etwas herauszog. »Großes Abendkleid?« fragte er. »Du bist gemein.«
    »Es rührt mich, wie du Mode zur Pflicht ernennst, um deine Pflicht durch Mode weiblicher zu gestalten.«
    »Lieber Lukas, die nächste Station ist ein Lehrerseminar. Bei den jungen Leuten kann ich nicht als alternde Suffragette aufkreuzen.« Sie bat ihn zu halten, weil sie sich nach hinten setzen wollte, um sich umzuziehen. Er entsprach ihrem Wunsch und verfolgte die Verwandlung im Rückspiegel, klein, wie in einem Tischfernseher.
    »Und welche Idee trägst du zu dem Aufzug?«
    Daniela verbarg Proportioniertes hinter Buntem:
    »Paß gefälligst auf die Straße auf!«
    »Komm wieder nach vorn. Du blockierst den Rückspiegel.«
    Sie lachte, verschwand hinter dem bunten Stoff und kam am anderen Ende wieder heraus. Er hielt und drehte sich um.
    »In der Aufmachung willst du also deinen Junglehrern näherkommen? Da wüßte ich eine andere.«
    »Wenn ich sicher wäre, daß du das meinst, was ich meine, daß du meinst, würde ich sagen, du bist ein Schwein.«
    »Für Seminaristen denkst du entschieden zu konservativ.«
    Tatsächlich verhalf ihr das bunte Kleid bei den versammelten Jungpädagogen zu dem gewünschten Eindruck. Hier stand keine trockene Parteidogmatikerin, hier hatte eine hübsche Frau ein sprödes Thema geschmeidig im Griff. Unter diesen Umständen wunderte sich Lukas nicht mehr, daß ihr eine weitere Auslegung gelang:
    »Vater und Mutter sind berufstätig, gehen morgens aus dem Haus. Was ihrer elterlichen Pflicht obläge, die gerade für die Bewußtseinsbildung unerläßliche Förderung von Kontakt und Kommunikation - das alles wird in steigendem Maße der Schule aufgebürdet. Die Bewältigung dieser Verlagerung verlangt vom Lehrer gezielte Handhabung einer starken Ausstrahlung. Denn die einzige Autorität, die er haben soll und darf, ist die natürliche, die Kraft seiner Persönlichkeit.«
    Gekräftigt spendeten die Junglehrer Beifall. Auch für Danielas Persönlichkeit. Der Parteichauffeur im Hintergrund überlegte:
    So schnell kommt sie da nicht weg. Akademiker halten immer auf. Er täuschte sich nicht. Schon wären sie dabei, ihre Intelligenz vorzuführen, breiteten Sachkenntnis aus, bevor sie Fragen stellten, als herrsche geistiger Ausweiszwang; und sie versuchten, wenn Daniela geantwortet hatte, sie mit Spitzfindigkeiten und Anregungen auszustechen.
    Unbemerkt verließ der Parteichauffeur den Saal, zog sich an seinen Arbeitsplatz zurück. Bei offener Wagentür, den in die Sonne geredeten Kopf mit geschlossenen Augen an den Pfosten gelehnt, wirkte er sehr echt.
    Ein harter Job! Aber er machte ihr Freude, sie steht im Mittelpunkt, hat Erfolg. Das ist es. Und ich klammere mich an meinen ironischen Blickwinkel — hat sie gesagt — , bin im Grunde gar nicht heiter. Wirke ich so?
    Eine Gähnwelle überkam ihn; alle viere streckte er aus dem Wagen, drehte sich genüßlich, seine feine Nichtrauchernase witterte Renate, ihre Seife an seinen Händen, das Badesalz. Ein paar Stunden ist das erst her!
    Sie hatte vollendet inszeniert, mit Zärtlichkeit ohne Verpflichtung, Romantik ohne Sentimentalität, Liebe sogar, ohne Erwartung, ohne Tränen, die er ein wenig befürchtet hatte vor dem Auf stehen und im Auto, als sie ihn zum Hotel brachte. Doch sie fragte nicht:

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