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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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mit Einsamkeit identisch wird, ist-Alleinsein schön.«
    Als wolle er die Wirkung seiner Worte prüfen, sah er zu ihr hinüber, fand sie belustigt.
    »Du sprichst mir aus der Seele, Lukas. Ich könnte dich auf der Stelle nicht heiraten!«
    Der Satz kam ihm bekannt vor. Hatte nicht Doreen seinerzeit ähnlich geantwortet, als er ihr dieselben Argumente aufzählte? Doch er sagte nichts, wartete, daß Daniela weiterspreche, was sie auch tat, weder sehr sanft.
    »Du hast also die Kraft zum Alleinsein. Aber mir sprichst du sie ab.«
    »Du bist eine Frau.« Er fand die Antwort schlecht; sie auch.
    »Du bist hoffnungslos altmodisch.« Das wollte er nicht sein und holte weit aus.
    »Theoretisch halte ich eine nicht zu früh eingegangene Ehe immer noch für das Vernünftigste. Die Praxis ist Schicksal. Und dagegen soll man sich nicht wehren, wenn man so dafür geschaffen ist wie du. Damit macht man sich unglaubwürdig.«
    Daniela hatte Schuhe aus dem Ledersack auf dem Rücksitz geholt und zog sie an.
    »Ich habe meinen Beruf, Die Partnerschaft ist dein Problem. Du bist nämlich gar nicht der heitere Männchenmaler, der seine Zeitgenossen mit Unernst füttert, sondern ein stinkfauler Egoist, der sich an seinen ironischen Blickwinkel klammert, weil er im Grunde nicht heiter ist, sondern resigniert hat! Entschuldige, wenn ich dir das sage.«
    Lukas hupte zwei Anführungszeichen für sein Pathos.
    »Das alte deutsche Vorurteil! Wer heiter ist, muß faul sein, denn Heiterkeit ist zweitklassig; wer sich endlich soweit auskennt auf der Welt, daß er nicht mehr auf alles hereinfällt, der hat resigniert zu haben! Was du Resignation nennst, ist etwas Positives, ein Stadium der Reife! Endlich ist man nicht mehr der Neugier seiner Lenden und anderen Antrieben hörig, sondern durch Erfahrung frei, passen zu können...«
    Was red’ ich denn da? Gestern hab ich genau das Gegenteil gemacht
    fiel ihm ein.
    »Merk dir bitte, was du noch Gescheites sagen willst. In fünf Minuten spreche ich vor genesenden Müttern.«
    Dankbar winkte er ab.
    »Im Wahlkampf muß ein vernünftiger Gedanke ja untergehen.« Und er fuhr nach ihren Angaben über Nebenstraßen.
    Pünktlich stand Daniela in der Liegehalle, ohne Podium, ohne Rednerpult, an den Füßen zuverlässige Trotteurs mit flachen Absätzen, wetterfest und orthopädisch einwandfrei. Auch oben herrschte Schlichtheit, kein Geglitzer. Halskette und Clip wären der Parteiräson ebenso zum Opfer gefallen wie die hübsche Frisur, die sie mit großem Zeitaufwand unbegreiflich verschlichtet hatte. Fast frivol wirkte sie, diese Gesamtschlichtheit, jedenfalls auf Lukas, der als >Chauffeur< hinten an der Tür stand, abseits von den beiden örtlichen Parteifunktionären. Wie abgepackt lagen die Wickelschürzenmuttis da. Keine, die nicht dem Land mindestens drei neue Verkehrsteilnehmer geschenkt hatte.
    Daniela sprach mit veränderter Stimme, veränderten Bewegungen ein verändertes Deutsch. Da gab es keine Überzeugung, der sie nicht Ausdruck verlieh, keine Reformvorschläge, die sie nicht hätte auf fruchtbaren Boden fallen lassen, keine Vermittelmäßigung, vor der sie nicht gewarnt, kein zeitnahes Problem, das sie nicht aus fraulicher Schau betrachtet hätte; und die Schlüsse, die sie zog, empfand er schlicht als Ärgernis.
    »Gerade Sie, die Sie den natürlichen Beruf der Frau auf so beglückende Weise erfahren durften, wissen um die für das Gedeihen eines Volkes unerläßliche Notwendigkeit — um die Familie als Zelle freiheitlich demokratischer Ordnung. Die Frau wieder mehr in der Familie — damit wäre ein nicht unwesentlicher Teil der zeitnahen Probleme gelöst.«
    Applaus, Händedrücken, Weiterfahrt. Bei der nächsten Ansprache, zehn Kilometer weiter in einer Weberei, stellte sie ein anderes Programm in den Raum:
    »Die Frau ausschließlich im Haus — damit sind die Erziehungsprobleme noch nicht gelöst. Zuviel Nestwärme kann umweltkontaktschwächend wirken. Gerade Sie wissen ja um die Funktion der Frau als gleichberechtigtes Glied in einer zeitgerechten Gesellschaft, wissen, daß diese ohne den Wirtschaftsfaktor Frau heute einfach undenkbar ist!«
    Applaus, Händedrücken. Diesmal sah Daniela sich ähnlicher. Sie trug ein Tweedkostüm, Seidenschal, das Haar weniger schlicht. Nichts an ihr lenkte ab, nichts beeinträchtigte ihre Glaubwürdigkeit. Aber die Belegschaft mauerte; überall mißtrauische Gesichter, im Arbeitsrhythmus gestört. Es mußte an ihrem Tonfall liegen, der auf eine sehr

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